Katharina Luther 22.02.17 ARD

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Norbert von Thule
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Katharina Luther 22.02.17 ARD

Beitrag von Norbert von Thule »

Aus aktuellem Anlass:

Katharina Luther 22.02.17 im Ersten um 20.15 Uhr

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Bernhard Sprengel hat geschrieben:
Das Kloster ist für Katharina Luther ein Gefängnis. Die Reformation bedeutet für sie Freiheit. Katharina (Karoline Schuch) kämpft gegen die alltäglichen und geistlichen Zwänge, denen sie als Klosterfrau unterworfen ist. Der historische Film „Katharina Luther“, an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) im Ersten zu sehen, erzählt die Geschichte einer Befreiung.
Die spätere Frau des Reformators Martin Luther ist in der Vergangenheit schon oft idealisiert und manchmal auch verteufelt worden. Katharina von Bora (1499-1552), wie sie bis zur Heirat hieß, war die erste Pfarrfrau der Geschichte und diente über Jahrhunderte als Rollenmodell. Allerdings sind nicht allzu viele Fakten aus ihrem Leben verbrieft. Das gibt den Filmemachern Freiraum für eigene Akzente.

Befreiung von den Zwängen der Zeit

Die Kontraste sind stark. In der Eingangsszene hüpft Katharina als kleines Mädchen vergnügt auf dem Pflaster herum. Dann wird sie von ihrem Vater ins Kloster gebracht. Die Türen schließen sich hinter ihr, alles Weinen und Wehren nützt ihr nichts. Nonnengesang setzt ein, die Klosterfrauen bewegen sich wie Marionetten im Gleichtakt. Jahre später bekommt sie als junge Nonne ein eingeschmuggeltes Exemplar von Luthers Schrift „Von der Freyheith eines Christenmenschen“ in die Hände. Sie flieht aus dem Kloster, Helligkeit und Harmonie kehren zurück. Katharina geht in der Morgensonne barfuß über eine Wiese, während ihr die ebenfalls geflüchteten Nonnen zulächeln.
Ihr weiteres Leben bleibt nicht so sonnig, aber der Kurs ist klar: Katharina will das finstere Mittelalter hinter sich lassen. Wie schlimm dieses Mittelalter für eine Frau ist, kann der Zuschauer in der nächsten Szene erleben, in der ihre Ankunft in Wittenberg gezeigt wird. Sie gerät in eine Art Kölner Silvesterszene, wird zusammen mit ihren Mitschwestern auf der Straße von Männern bedrängt und begrapscht. Schnelle Schnitte aus der Nahperspektive lassen das Geschehen besonders bedrohlich erscheinen. Doch dann taucht Martin Luther – gespielt von Devid Striesow – auf und rettet sie. „Legt Zeugnis ab von der Tapferkeit dieser Frauen!“, ruft er der Menge zu. „Wer von Rom verstoßen wird, findet hier eine Hand!“ Der Luther-Freund Lucas Cranach (Martin Ontrop) nimmt sie bei sich auf. Als sie seinen Hof betritt, sieht sie in Gedanken wieder das hüpfende Mädchen von einst.
Sie müsse heiraten, macht ihr die Frau des Malers, Barbara Cranach (Claudia Messner), klar. Sie akzeptiert das, aber sucht sich eigenwillig ihren Bräutigam. Dessen Aufmerksamkeit erregt sie mit ihrem eigenen Kopf. Es geht um den Bauernkrieg. Luther betont: „Die Bauern haben Blut vergossen. Das ist unverzeihlich!“ Katharina fragt den Reformator daraufhin: „Sie werden doch von ihren Fürsten gezwungen, der Kirche zu folgen, so wie wir Nonnen im Kloster. Müssen sie sich da nicht zur Wehr setzen?“ Die Haltung zum Bauernkrieg bleibt das große Konfliktthema des Films. Bei einer Begegnung im Wald attackieren die Bauern Luther und beschimpfen ihn als „Verräter“.
Als er wenig später sieht, wie gefangene Bauern in einer Art Dungeon gequält werden, bricht er zusammen. Katharina richtet ihn wieder auf – und hat ihn damit so gut wie erobert. Er willigt schließlich ein. Nach der Heirat bringt sie Luthers heruntergekommene Bleibe, das Schwarze Kloster, wie eine Trümmerfrau in Ordnung. Auch körperlich finden der ehemalige Mönch und die geflüchtete Nonne zueinander, die Initiative geht von ihr aus. Ihren „Ritterschlag“ als ebenbürtige Teilnehmerin an Luthers sonst männlicher Tafelrunde erhält sie nach einem neuen Statement, mit dem sie Partei für die Bauern ergreift: „Schützt die Menschen, bevor sie auf dem Scheiterhaufen enden!“

Luthers schwierigstes Vermächtnis wird thematisiert

Ältere ostdeutsche Zuschauer, die im DDR-Geschichtsunterricht ausführlich das Thema Bauernkriege abgehandelt haben, mögen Katharinas plakative Haltung sympathisch finden. Der Göttinger Luther-Biograf Thomas Kaufmann meint jedoch: „Mir ist nicht bekannt, dass Katharina hinsichtlich des Bauernaufstandes und des militärischen Einsatzes anders geurteilt hätte als ihr Mann.“
Luthers Judenhass, das wohl schwierigste Vermächtnis des Reformators, kommt im Film nur am Rande zur Sprache. Einmal klagt er, die Juden ließen sich nicht bekehren. Und später, nach dem Tod seiner geliebten Tochter Magdalena, ist er sich sicher: „Es waren die Juden, die jüdischen Ärzte! Die Juden hassen Christus!“ In einem Tobsuchtsanfall bricht er zusammen. Katharina richtet ihn ein weiteres Mal auf, sie legen gemeinsam Blumen ans Grab der Tochter. Aber anders als beim Thema Bauernkrieg wird bei ihr keine abweichende Haltung zu den Juden erkennbar. Wobei auch das unhistorisch wäre. Der im Film nicht thematisierte letzte Brief Luthers an seine Frau legt nämlich nahe, dass sie seinen Judenhass durchaus teilte. Kirchenhistoriker Kaufmann ist der Ansicht, „dass beide sich in obsessiver Judenfeindschaft einig waren“. In „Katharina Luther“ bleibt die Heldin ganz ohne Makel – fast wie eine Heilige.
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