Es geschah am Mittwoch, den 19. Juli des Jahres 2006, am letzten Tag des Ferienprojekts "Leben wie im Mittelalter". Die Begine Eva bat mich, eine Bibel mitzubringen und nachdem sie einige Zeit darüber gebrütet hatte, beschrieb sie drei Blatt Papier, eines für Quinn, eines für Manuk und eines für sich selber. Sie zog ein weißes Kleid an, bedeckte ihr Haupt mit einer roten Haube, stellte sich ans Kopfende des Tisches blickte kurz zu Quinn und Manuk, die nebeneinander zu ihrer rechten Seite saßen und las:
Wir haben eine kleine Schwester,
noch ohne Brüste.
Was tun wir mit unserer Schwester?
Dann wies sie Quinn an, zu antworten. Der las von seinem Blatt:
Schön bist du, meine Freundin,
ja, du bist schön.
Hinter dem Schleier deine Augen wie Tauben.
Rote Bänder sind deine Lippen,
lieblich ist dein Mund.
Alles an dir ist schön, meine Freundin.
Kein Makel ist an dir.
Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz,
wie ein Siegel auf deinen Arm!
Denn stark wie der Tod ist die Liebe,
ihre Gluten sind Feuergluten, gewaltige Flammen.
Böte einer für die Liebe
den ganzen Reichtum seines Hauses
nur verachten würde man ihn.
Die kleine Schwester sollte nun auch lesen, was auf ihrem Blatt stand, doch sie schaute nur zu Boden und schwieg. Da trat die Begine Eva hinter sie, legte ihr die Hand auf die Schulter, nahm ihr Blatt und antwortete an ihrer Stelle:
Ach, wärst du doch mein Bruder,
genährt an der Brust meiner Mutter.
Träfe ich dich dann draußen,
und würde ich dich küssen,
niemand dürfte mich deshalb verachten.
Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen,
auch Ströme schwemmen sie nicht weg.
Dann gab sie ihr noch ein Kreuz, das man um den Hals hängen kann, und Quinn war Manuks großer Bruder geworden.