Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Was geht im Mittelalter?
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Am 12.02.13:
Die [url=http://kipa-apic.ch/index.php?pw=&na=0,0,0,0,d&ki=240022]katholische internationale Presseagentur[/url] hat geschrieben:
Karolingische Klosterstadt in Messkirch

Baustelle öffnet am 22. Juni ihre Tore


Im südbadischen Messkirch entsteht dereinst eine mittelalterliche Klosterstadt ”“ nur mit Hilfe von Ochsen und menschlicher Muskelkraft. Die Klosterbaustelle "Campus Galli", die sich am berühmten St. Galler Klosterplan orientiert, soll am 22. Juni eröffnet werden, wie auf der Homepage des Projekts zu erfahren ist. Usprünglich war der Start für April vorgesehen.


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Johannes Eckert, Abt von St. Bonifaz, München, vor der Vergrösserung des St. Galler Klosterplans (Bild: Petra Mühlhäuser)

Geplant ist, in dem Waldgebiet am Rande Messkirchs im Landkreis Sigmaringen allein mit den Arbeitstechniken und Werkzeugen des Mittelalters ein Kloster mit angrenzenden Wirtschafts- und Wohngebäuden zu errichten. Orientierungsmassstab ist der St. Galler Klosterplan, ein idealtypischer Entwurf einer aufwändigen Klosteranlage aus dem 9. Jahrhundert, der sich in der Stiftsbibliothek St. Gallen befindet.
Die Baustelle soll Besuchern offen stehen und zu einem lebendigen Museum werden. Angestrebt werden 125.000 Besucher pro Jahr.

Ochsen ausgebildet

In den letzten Monaten sind laut einem Bericht des "St. Galler Tagblatts" (12. Februar) vier Ochsen zu Zugtieren für die Arbeiten auf der Klosterbaustelle ausgebildet worden. Auch Handwerker seien bereits gefunden worden. Der Trägerverein "Karolingische Klosterstadt" ist dem Bericht zufolge von Bewerbungen teilweise regelrecht überrannt worden.
Die Handwerker werden auf der Baustellen gegen Lohn arbeiten. Deswegen war eine Anschubfinanzierung von umgerechnet rund 1,2 Millionen Franken notwendig. Diese wurde über Mittel der EU, des Landes, des Kreises und der Stadt sichergestellt.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 18.02.13:
Claudia Wagner hat geschrieben:
Islamischer Kulturverein will sich bei Klosterstadt-Projekt einbringen

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Die Meßkircher Feuerwehr probt auf dem Klosterstadtgelände den Ernstfall und macht eine Waldbrandübung. (Foto: Feuerwehr Messkirch)

Auf den ersten Blick sieht es nach einer ungewöhnlichen Koalition aus: Bert M. Geurten, Vorsitzender des Fördervereins der karolingischen Klosterstadt, und Yildiray Sahin, Projektleiter für den geplanten Bau der Moschee in Meßkirch, wollen zusammenarbeiten.

Doch was hat das eine Großprojekt mit dem anderen, nicht minder ehrgeizigen Vorhaben zu tun? Sehr viel, finden die beiden Männer. Denn beide Projekte hätten etwas gemeinsam, so Yildiray Sahin, sie könnten genutzt werden, um Meßkirch bekannt und zum attraktiven Zielort für Touristen zu machen.
Deshalb möchte Bert M. Geurten den türkisch-islamischen Kulturverein gerne in das Projekt Klosterstadt einbinden. Konkrete Ideen gibt es auch schon: Beispielsweise möchte der türkisch-islamische Kulturverein einen regelmäßigen Zug eines Elefanten mit seinem Elefantenführer von der Moschee zur Klosterstadt-Baustelle organisieren. Der Elefantenführer solle in traditioneller arabischer Tracht gekleidet sein. Der Hintergrund des Schauspiels ist eine Überlieferung aus der Zeit Karls des Großen. Um 800 habe dieser eine Delegation zum Kalifen Harun er-Raschid nach Bagdad geschickt, um einen Vertrag auszuhandeln. Als Geschenk soll der Kalif der Delegation einen weißen Elefanten mitgegeben haben. Als einziger Überlebender kommt ein jüdischer Dolmetscher mit dem Elefanten nach Aachen zu Kaiser Karl dem Großen zurück. Sahin und Geurten sehen in der Geschichte eine Parabel für Toleranz und Völkerverständigung im Mittelalter. Darüber hinaus kann sich Sahin vorstellen, dass die Klosterstadt-Baustelle einen Stand für arabisches Essen beherbergt und mit dem Stand eines arabischen Stoffhändlers belebt wird.
Hintergrund der Zusammenarbeit ist allerdings auch ein Interesse des türkisch-islamischen Kulturvereins. Er plant seit zwei Jahren den Bau einer Moschee in Meßkirch. Yildiray Sahin kann sich vorstellen, dass die Moschee, wird sie mit vier Minaretten wie gewünscht gebaut, auch zur Attraktion für Touristen werden kann. „So könnte man Touristen von der Klosterstadt in die Stadt bringen“, schlägt Sahin vor, das sei beispielsweise ein Angebot fürBusreiseunternehmen. Immerhin gebe es in Westeuropa keine weitere Moschee mit vier Minaretten. Ob diese Ideen allerdings so umsetzbar sein werden, ist noch alles andere als ausgemacht. Der Bau der Moschee ist in Messkirch zwar Konsens, die konkrete Ausgestaltung des Gebäudes ist aber noch nicht endgültig beschlossen. In einer Gemeinderatssitzung im Oktober 2012 hat der Gemeinderat mit Blick auf ein Modell klargestellt, dass das Gebäude nicht genau so realisiert werden solle. Seither haben intensive Gespräche zwischen Verein, Gemeinderat und Verwaltung stattgefunden, wie Hauptamtsleiter Matthias Henle auf Nachfrage des SÜDKURIER berichtet. Es gehe dabei um die Details, wie hoch, wie groß das Gebäude sein soll, wie viele Minarette es bekommt. „Wir sind aber auf einem guten Weg“, resümiert er.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 25.02.13:
Isabell Michelberger hat geschrieben:
Andreas Sturm ist dem Mittelalter auf der Spur

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Er lebt für Geschichte: Andreas Sturm aus Aachen ist ein Spezialist für „Living History“. Bei der Realisierung der Karolingischen Klosterstadt sorgt er dafür, dass Kleidung, Ausrüstung und Gebrauchsgegenstände der dort arbeitenden Personen möglichst realistisch der dargestellten Epoche entsprechen. (Bild: Michelberger)

Der Historiker Andreas Sturm beackert historische Quellen. Sein Ziel ist es, bei der Umsetzung des Projekt Karolingische Klosterstadt so nah wie möglich an die Realität des 9. Jahrhunderts zu kommen.

Andreas Sturm aus Aachen ist mit seinem Tätigkeitsgebiet „Living History“ sozusagen das Herz des Projekts Karolingische Klosterstadt. Living History ist eine Variante der Geschichtsdarstellung, die den unmittelbaren Zugang zur Geschichte sucht. Verantwortlich ist Sturm sowohl für die wissenschaftliche Recherche der Sachkultur samt ihrer Aufbereitung als auch für deren pädagogische und didaktische Umsetzung auf der Klosterbaustelle.
Seit 2001 befasst sich Andreas Sturm beruflich mit Living History, indem er für Museen Historisches mit verschiedenen thematischen Aufgabenstellungen pädagogisch aufbereitete. Vor sechs Jahren erhielt er dann einen Anruf von Bert Geurten, der ihm vorschlug, am Projekt der Karolingischen Klosterstadt mitzuarbeiten, was bedeute, den St. Gallener Klosterplan mit Hilfsmitteln des 9. Jahrhunderts umzusetzen. „Ja, das ist ein großes Vorhaben, doch im Prinzip kann man das machen, ging es mir zuerst durch den Kopf“, erzählt Sturm von dieser ersten Begegnung. Heute erfüllt es ihn mit Stolz und Zufriedenheit, von Anfang an einen Ausschnitt der karolingischen Welt erarbeitet zu haben.
Andreas Sturm ackert sich durch die historischen Quellen, um möglichst viele Informationen aus dem 9. Jahrhundert aufzustöbern. Aus der Zusammenschau der verschiedenen Quellen entwickelt er ein Quellenbild, das er für die einzelnen Arbeitsgruppen aufbereitet. „Manchmal erscheint mir das Ergebnis verglichen zum Aufwand als dürftig, da ich Unmengen an Literatur lesen muss, um eine möglichst plausible Lösung anzubieten“, schildert Sturm sein tägliches Forschen im Frühmittelalter. Allerdings genieße er den Vorteil, dass Aachen über zahlreiche Bibliotheken verfügt, die für die Zeitspanne wichtig sind. „Wenn ich wichtige Literatur brauche, habe ich sie innerhalb von einer Stunde in der Hand“, erzählt Sturm, der Luft- und Raumfahrtechnik sowie Textiltechnik studierte.
„Unser Ziel ist es, so nah wie möglich an die Realität des 9. Jahrhunderts zu kommen“, erläutert Sturm, allerdings gebe es niemals ein 100-prozentiges Abbild von Geschichte. Es gebe immer Forscher, die in Bezug auf Details andere Varianten bevorzugen. „Die Frage nach der Vergangenheit ist immer von der Gegenwart beeinflusst“, schränkt er ein. „Genau genommen sagt das, was wir erforschen, mehr über uns selbst aus als über die Vergangenheit“, weiß er unseren heutigen Anspruch zu relativieren. „Doch wir suchen eine Lösung, die plausibel ist und zu einem ordentlichen Ergebnis führt.“ Denn das Wissen soll auf der Baustelle repräsentiert werden und der Besucher soll die Welt des 9. Jahrhunderts erspüren können.
Neben dem Erforschen besteht ein wichtiger Aspekt darin, das Wissen auf eine didaktisch sinnvolle Weise zu vermitteln. „Da sich die Baustelle irgendwann selbst finanzieren soll, müssen wir darauf achten, dass die Besucher Spaß daran haben, sich Geschichte anzuschauen“, formuliert er ein oberstes Ziel. Studenten der Universität Augsburg seien gerade dabei, Ideen für die Museumspädagogik zu entwickeln. In einem weiteren wichtigen Schritt müsste das Personal, das hauptsächlich aus Handwerkern besteht, dahingehend geschult werden, dass sie etwas über die Geschichte ihrer Tätigkeit erzählen können und nicht versuchen, so schnell wie möglich fertig zu werden. Oberste Priorität sei es, das Interesse bei den Besuchern zu wecken.
Nach der interessantesten Erkenntnis gefragt, muss Andreas Sturm einen Moment überlegen. Eigentlich freue er sich immer, wenn er etwas Neues entdecke. Aber was er als besonders reizvoll empfunden habe, war die glaubwürdige Dimensionierung des Klosterplans, zu dem kein Fußmaß oder Maßstab bekannt ist.
Ganz konkret liefert Andreas Sturm die Vorgaben an das Team im Meßkircher Löwen, wie das Werkzeug und die Kleidung auszusehen hat. Er entwirft die Konstruktionen für Gebäude und Ausrüstungen und erstellt teilweise die Prototypen. „Die meisten Themen sind schwierig anzugehen, doch in Bezug auf die Kleidung fällt mir die Lösung leicht, da es mein Leib- und Magenthema ist“, erzählt der Textiltechniker, der Schnittmuster erstellt. Allerdings ließen sich die Formeln für die moderne Konfektionskleidung kaum anwenden. Da jedoch viele Freiwillige auf Zeit mitarbeiten möchten, musste er neue Formeln entwickeln, um Leihkleider herzustellen. Die Herausforderung bestehe darin, stets so nah wie möglich beim frühen Mittelalter zu bleiben und trotzdem den modernen Erfordernissen gerecht zu werden.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

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Deutsche Welle am 02.04.13:
Susanne von Schenck hat geschrieben:
Eine Stadt beamt sich ins frühe Mittelalter

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Meßkirch in Oberschwaben will den Klosterplan von St. Gallen aus dem Jahre 820 nachbauen - ohne Strom, ohne Maschinen, ohne Kaffee. Die Vorbereitungen für das Projekt "Campus Galli" laufen auf Hochtouren.

Ein Stück des großen Waldes bei Meßkirch in der Nähe vom Bodensee in Süddeutschland ist schon gerodet. Hin und wieder laufen dort Menschen in groben Leinengewändern umher und tragen Holz zusammen. Ab Sommer 2013 soll dort eine große, frühmittelalterliche Baustelle für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Der Klosterplan von St. Gallen, die älteste Bauzeichnung zwischen Antike und Mittelalter, soll jetzt als "Campus Galli" hier in Meßkirch entstehen.

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Der Plan von St. Gallen bildet eine idealisierte Klosteranlage ab. So soll die Klosterstadt mal aussehen. In GuÁ©delon entsteht eine Burganlage aus dem 13. Jahrhundert. Ein Steinmetz lebt den Alltag im neunten Jahrhundert.

In den nächsten 40 Jahren baut Meßkirch die karolingische Klosterstadt originalgetreu nach - mit Methoden des neunten Jahrhunderts: ohne Maschinen, ohne Strom, ohne Kaffee. Spiritus Rector ist Bert Geurten, gebürtiger Aachener, der mit seiner ehrgeizigen Idee quer durch Deutschland tingelte, bis er schließlich in der Bodenseeregion Erfolg hatte. Nun wacht die etwas verschlafene Kleinstadt, deren berühmtester Sohn Martin Heidegger ist, auf - und dreht die Zeit zurück ins frühe Mittelalter.

Alles Handarbeit

Schaltzentrale ist derzeit das ehemalige "Hotel zum Löwen" direkt am Meßkircher Marktplatz. Dort hängt ein Faksimile des Klosterplans, und wenn Bert Geurten erklärt, wie aus den Zeichnungen Wirklichkeit wird, leuchten seine Augen. Eine ganze Stadt soll entstehen, mit fünfzig Gebäuden und einer Kirche für 2000 Menschen. Im "Werkstättle", das im Erdgeschoß des "Löwen" liegt, wird schon mal geübt: Wie färbt sich die frisch gewaschene Schafswolle? Welche Weidenzweige eignen sich zum Korbflechten? Wie näht man am besten die schwere Leinenkleidung? Alles entsteht in zeitaufwändiger Handarbeit und wird von Fachleuten betreut.
Halb Meßkirch bereitet sich auf das frühe Mittelalter vor: Bäckermeister Eberhard Hauff, den alle im Ort "den Ochsenflüsterer" nennen, trainiert auf den umliegenden Höfen junge Ochsen. Sie sollen im Sommer frühmittelalterliche Karren durch Meßkirchs Wälder ziehen. Mareike Punzel beschäftigt sich seit über einem Jahr mit Pflanzen der Karolingerzeit und hat dafür einen Garten angelegt. Jochen Israel brütet darüber, wie sich am besten die Holzschindeln für die mittelalterlichen Dächer herstellen lassen. Steinmetze, Schmiede, Töpfer und Wagner überlegen, welches Werkzeug benutzt wurde, wie der Alltag im neunten Jahrhundert ausgesehen haben könnte. Bert Geurten kann sich vor Bewerbungen kaum retten. Denn das Mittelalter boomt - Mittelaltermärkte und Mittelalterfestivals gibt es allerorten. Es ist die Faszination für eine ferne Zeit, in der noch alles selbst hergestellt wurde - eben ohne Maschinen. Genau das reizt viele, die sich für "Campus Galli" bewerben.

Blick nach Frankreich

Gefragt, wie er auf die Idee kam, sagt Bert Geurten nur ein Wort: GuÁ©delon. Die Burganlage aus dem 13. Jahrhundert liegt ca. 600 Kilometer westlich von Meßkirch im nördlichen Burgund. Seit 15 Jahren entsteht sie dort mitten im Wald - gebaut ausschließlich mit Mitteln und Methoden der damaligen Zeit. Anfangs als Spinnerei belächelt, ist GuÁ©delon heute mit 320.000 Besuchern im Jahr ein Touristenmagnet.
Wer die Eingangssperre von GuÁ©delon hinter sich gelassen hat, blickt auf ein großes Areal: im Zentrum eine trapezförmige Burganlage mit zwei hohen, halbfertigen Wehrtürmen. Überall wird gearbeitet, ohne Hektik, ohne Bagger, ohne Bohrmaschine. Aus einer Hütte steigt Rauch auf, ein kräftiges Ardennerpferd zieht einen Karren, der mit Steinen beladen ist. Menschen in weiten, grob gewebten Leinengewändern hämmern, klopfen, schmieden und schnitzen in ihren Werkstätten.
Gebraucht wird die Burg in der an Schlössern nicht gerade armen Region von niemandem. Aber man erhofft sich Aufschluss darüber, wie im Mittelalter gebaut wurde. Florian Renucci, Archäologe, Architekt und Denkmalpfleger, sagt, sie seien hier wohl weltweit die einzigen, die noch richtige Kreuzrippengewölbe herstellen. Er ist davon überzeugt, dass aus der Zusammenarbeit von Handwerkern und Fachleuten ein neues Wissen für unsere Zeit entsteht.

Ein ambitioniertes Projekt

Das deutsche Projekt in Meßkirch ähnelt im Kern zwar dem französischen, ist aber viel ambitionierter. Denn hier soll nicht wie in GuÁ©delon nur eine Burg, sondern gleich eine ganze Stadt aus dem neunten Jahrhundert entstehen. Eins möchte Initiator Bert Geurten auf keinen Fall: ein mittelalterliches Disneyland. Geplant ist "Campus Galli" als wissenschaftliches Experiment und als Besucherattraktion gleichermaßen - ein Spagat, der in GuÁ©delon geglückt ist.
Gelder für das Projekt kommen aus dem europäischen Leaderprogramm für strukturschwache Regionen sowie von Stadt und Land. Nach vier Jahren muss Geurtens Verein "karolingische Klosterstadt" sich selbst tragen. Bei nur 120.000 Besucher im Jahr würde es sich schon rechnen, sinniert Bert Geurten. Der 64-Jährige selbst wird die Vollendung des "Campus Galli", die voraussichtlich 2053 sein wird, nicht mehr erleben. Er fühle sich wie Moses, der das Gelobte Land zwar sehe, es aber nicht betreten werde, sagt er. Das Ziel des Unternehmens sei ja aber auch das Bauen selbst. Das ist sowohl im französischen GuÁ©delon als auch im oberschwäbischen Meßkirch der Fall.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 12.04.13:
Isabell Michelberger hat geschrieben:
Die Klosterstadt wächst am Computer

Bevor ein Stein auf der Klosterbaustelle Campus Galli im Juni gesetzt werden kann, müssen die Pläne für die ersten Baumaßnahmen und die Geländegestaltung für die erste Phase fertig sein. Die Architektin Simone Jansen aus Aachen befasst sich seit 2010 mit dem St. Gallener Klosterplan. Sie begleitete bereits die Suche für ein geeignetes Gelände, die Entscheidungsphase in Meßkirch sowie die Sichtung und Überprüfung des gewählten Grundstücks.

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Simone Jansen entwirft Computermodelle der Klosterstadt-Gebäude an ihrem Arbeitsplatz.  Bild: privat

Simone Jansen, die zunächst eine Lehre als Bankkaufrau absolviert und in dem Beruf arbeitete, entschloss sich nach einer Kinderpause, doch noch ihren Wunschberuf zu ergreifen. Nach dem erfolgreichen Studium der Architektur in Aalen arbeitet sie heute als freie Architektin. „Das Projekt Klosterbau hat mich sofort begeistert“, erinnert sich Simone Jansen, da sie sich sehr für das Bauen mit Naturmaterialien interessiert. Nach der Sichtung und Überprüfung des Geländes sei sie zusammen mit den Vereinsmitgliedern nach einer eingehenden Beratung zu dem Schluss gekommen, dass die Klosterstadt an diesem Ort gut zu realisieren ist. „Das Waldstück ist prima, es ist besser geeignet als das erste Grundstück bei Heudorf“, erklärt die Architektin.
Da es lediglich den Grundriss der Anlage gibt, der nichts über das Aussehen der Gebäude aussagt, fertigte Simone Jansen Computermodelle. Sie ist stets mit den Historikern in Kontakt, um herauszufinden, welche Techniken im 9. Jahrhundert bereits bekannt waren. Aus Funden, Zeichnungen und Texten lässt sich einiges herleiten. „Wir können oftmals Schlüsse aus dem Wissen ziehen, das die Quellen und Funde dokumentieren, nach der Logik: Wenn sie dies kannten, wussten sie auch schon von jenem“, erläuterte die Architektin.
Simone Jansen befasst sich gerne mit dem Spannungsfeld Alt und Neu und wie man die beides miteinander kombiniert. Gekonnte Stilbrüche sind dabei erwünscht. „Beruflich berate ich Bauherren, die sich an ältere Gebäude her antrauen und diese mit natürlichen Materialien sanieren möchten“, beschreibt Jansen ihr Tätigkeitsfeld.
„Mit der Klosterstadt betrete ich Neuland, was es für mich sehr spannend macht“, beschreibt sie ihr Engagement für die Klosterstadt, für die sie sich meist in ihrer Freizeit einsetzt. Denn der Brotberuf und die Familie sollen nicht zu kurz kommen. Wenn das Projekt erst einmal anlaufe, werde sie öfter vor Ort sein. Unterstützt werde sie von Thomas Fuhrmann als Bauleiter. Mit ihm zusammen wird Verena Scondo den Überblick auf dem Gelände haben.
Wie im 9. Jahrhundert üblich, wo sich die Bauherren nicht sklavisch an die Pläne hielten, sondern der Bauprozess immer offen war für pragmatische Entscheidungen und Veränderungen, so müssten sie auch im 21. Jahrhundert das Projekt flexibel umsetzen. Die Erfahrungen müssten laufend mit einfließen.
Bevor es an die Hauptgebäude gehe, müssten erst die Unterkünfte der Handwerker und eine kleine Kirche geschaffen werden. Das Konstrukt der Kathedrale setze sich aus wichtigen Knotenpunkten zusammen wie beispielsweise dem Kreuzgewölbe. Die Knotenpunkte würden erst einzeln auf geringer Höhe vorgefertigt und auf Statik und Sicherheit überprüft. Erst dann könnten die Einzelteile zusammengefügt werden. „Die Sicherheit steht für uns im Vordergrund“, formuliert Jansen ganz klar. Es werde keine Einsturzgefahr bestehen.
Konkret geplant ist das erste Baujahr, danach nützten alle die lange Winterpause, um die Erfahrung des Sommers aufzunehmen und diese bei den weiteren Baumaßnahmen zu berücksichtigen. „Wir fangen mit einfachen Gebäuden an, das sind die Unterstände für die Handwerker, wie Zelte und Grubenhäuser“, erläutert sie die Planungen. An den verschiedenen Stationen soll das Handwerk gezeigt und vorbereitende Arbeiten erledigt werden. „Wir brauchen eine Menge Holzschindeln, um die ersten hochwertigeren Gebäude zu decken“, erklärt Simone Jansen. Die Arbeitsgruppe im Meßkircher Löwen hätte glücklicherweise eine gute Vorarbeit geleistet und Einzelteile erprobt, die ab Juni für den Bau benötigt werden.
Der Plan für das erste Jahr stehe: der Rundweg ist gezeichnet, das Gelände erfasst und die Fläche für die ersten Gebäude festgelegt. In Zusammenarbeit mit der Stadt Meßkirch könne der Parkplatz und der Eingangsbereich ausgewiesen und ausgeführt werden. „Wir sind gespannt auf die ersten Erfahrungen, die uns Impulse für die nächste Bauphase geben“, freut sich die Architektin auf den Baustart.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 18.04.13:
Gregor Moser hat geschrieben:
Klosterstadt: Arbeitskreis „Innenstadt“ entwickelt Ideen

Als Ergebnis des ersten Treffen von Interessierten zum Arbeitskreis „ Innenstadt“, bei dem es darum geht, wie Meßkirch von der Klosterstadt profitieren kann, stehen eine Reihe von Aktionen, die andiskutiert wurden. Bei einem zweiten Treffen in einem Monat soll geprüft werden, welcher Fortschritt erzielt werden konnte.


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Im Meßkircher Ratsall entwickelt sich eine angeregte Diskussion über die Frage, wie die Meßkircher Innenstadt von den Besuchern des künftigen Klosterstadtgeländes profitieren kann. Mit dabei (v.l.): Mike Eichwald, Meggie Ratajczak, Waldemar Gorzawski, Ralf Dierich, Harry Knoll, Sabine Schilling und Hermann Müller. (Bild: Moser)

Hermann Müller hatte sich anfangs der Diskussion an die Runde gewandt: „Wir haben nicht mehr viel Zeit“, sagte er mit Blick auf die Eröffnung am 22. Juni und stellte fest, dass es „zu viele Schmuddelecken“ in der Innenstadt gibt und der Wohlfühl-Charakter für die Besucher gestärkt werden müsse. Bürgermeister Zwick kündigte einen Aufruf an die Hausbesitzer an, bei der Verschönerung der Innenstadt mitzumachen. So hatte Müller angeregt, dass schon Blumenschmuck an den Häusern mehr zum Verweilen einladen würde.
Harry Knoll sprach für die GHV und kündigte an, dass es in der kommenden Woche eine Vorstandssitzung geben wird, bei der es um den Gutschein, ein Wirtedorf und verlängerte Öffnungszeiten am 22. Juni mit Geschenken an die Kunden gehen soll. Müller warb daraufhin dafür, die Sitzung für alle interessierten GHV-Mitglieder zu öffnen.
Knoll sagte zudem, dass die GHV-Werbetafel für das Klosterstadtgelände ausgebucht sei und sagte es sei wichtig, am Eröffnungstag einen Bus- oder Kutschenpendelverkehr in die Stadt zu haben. Mike Eichwald schlug ein Quiz für den Weg von der Kloster- in die Innenstadt vor. Müller warb dafür, in der Mittelalterszene auszuloten, inwieweit Interesse an Geschäftsgründungen in der Innenstadt besteht. Waldemar Gorzawski wies auf eine bestehende Onlineplattform für Gewerbetreibende hin, die von seiner Partnerin Meggie Ratajczak initiiert wurde. Eigentümerin der Plattform sei mittlerweile die Stadt Meßkirch und zwölf oder 13 Gewerbetreibende seien darauf bereits vertreten. Er bot zudem an, einen Gemeinschaftsstand für Gewerbetreibende in der Klosterstadt zu koordinieren. Helmut Weißhaupt verwies auf die Bedeutung der Aufnahme in Reiseführern wie dem „Lonely Planet“ und auf die Bedeutung der Gastronomie für die Klosterstadtbesucher.
Gregor Moser hat geschrieben:
Die Gute Ideen sind einige da

Kommentar zur ersten Sitzung des „ Innenstadtarbeitskreises“


Am 22. Juni eröffnet die Klosterstadt. Das definiert die eine Zeitschiene. Die andere Zeitachse definiert die geschätzte 40-jährige Bauzeit. Die Zeit drängt also, wenn es darum geht, Hausaufgaben wie das Verschönern der Innenstadt mit einfachen Mitteln anzugehen, wie dies Hermann Müller vorschlug. Auch ein Gutschein zu einem Kaffee in der Innenstadt für die Klosterstadtbesucher wäre eine prima Sache ab dem 22. Juni. Anderes ”“ und darauf verwies auch der Bürgermeister in der Sitzung ”“ hat noch Zeit, sich zu entwickeln. Die Sitzung am Dienstag zeigte dabei vor allem eines: Gute Ideen sind einige da.
Als Ergebnis des ersten Treffens von Interessierten zum Arbeitskreis „ Innenstadt“, bei dem es darum geht, wie Meßkirch von der Klosterstadt profitieren kann, stehen eine Reihe von Aktionen, die andiskutiert wurden. Bei einem zweiten Treffen in einem Monat soll geprüft werden, welcher Fortschritt erzielt werden konnte.
Bürgermeister Arne Zwick fasste die Ergebnisse am Ende der lebhaften Diskussionsrunde im Ratssaal zusammen: Die Verwaltung wolle sich um die Sauberkeit in der Stadt sorgen. Ebenso um die Überlegung eines Fuß- oder Radweges vom Klosterstadtgelände in die Innenstadt sowie um eine Hinweisschild auf die Klosterstadt am Donauradweg. Aufgegriffen werden soll zudem der Vorschlag, die Klosterstadt und Meßkirch in Reiseführern zu bewerben.
Aufgabe der Gewerbe- und Handelsvereinigung (GHV) soll es sein, abzustimmen, welche Aktionen die Händler und Gewerbetreibenden am Eröffnungswochenende der Klosterstadt auf die Beine stellen wollen. Auch soll geklärt werden, ob auf der Rückseite der Eintrittskarten für die Klosterstadt ein Kaffee-Gutschein für die Innenstadt platziert werden kann.
Jutta Hoffmann hat geschrieben:
Zeit ist Geld
Gregor Moser hat geschrieben:Auch ein Gutschein zu einem Kaffee in der Innenstadt für die Klosterstadtbesucher wäre eine prima Sache ab dem 22. Juni. Anderes ”“ und darauf verwies auch der Bürgermeister in der Sitzung ”“ hat noch Zeit, sich zu entwickeln."
Ich fände eine geeignete Unterkunft wesentlich wichtiger als einen Gutschein für eine Tasse Kaffee. Vor zwei Wochen habe ich versucht, eine Unterkunft in Meßkirch zu buchen, was sich als wahrer Kraftakt erwies. Ein mittelmäßiges Hotel, ein paar Privatzimmer und einige Ferienwohnungen sind defintiv zu wenig, um die Urlauber, Touristen und andere Interessierte in die Stadt zu locken, zumal die Buchung ebenfalls ein Problem darstellt. Es gibt auf der Internetseite weder die Möglichkeit einer Onlinebuchung noch einen Link auf eine ggf. vorhandene Unterkunftsvermittlung. Das muss DRINGEND angegangen werden.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 20.04.13:
Isabell Michelberger hat geschrieben:
Verena Scondo managet die Klosterstadt

Ab Juni soll auf der Baustelle jedes Handwerk stets zu beobachten sein


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Managerin Verena Scondo auf der Klosterbaustelle, ihrem zukünftigen Arbeitsplatz.  Bild: Michelberger

Die aus der Schweiz stammende Verena Scondo erlebte in GuedÁ©lon vor acht Jahren die Geburtsstunde der Idee, in Deutschland eine Karolingische Klosterstadt nach dem St. Gallener Klosterplan zu realisieren. Seit dieser Zeit begleitet sie Ideengeber Bert Geurten auf all den Terminen und ist mit der Entwicklung des Projekts vom ersten Gedanken an bis zur Realisierung eng vertraut. Sie habe sich immer ein stückweit als realistischer Gegenpart zur spontanen Euphorie ihres Kollegen und Freundes empfunden, erklärt sie.“ In all den letzten Jahren investierte ich jeden Urlaub für die Klosterstadt“, blickt Verena Scondo auf ihr intensives Engagement zurück, das sich für sie zur angenehmen Pflicht entwickelte. „Ich freue mich, dass die Klosterstadt verwirklicht wird und bin fest von ihrem Erfolg überzeugt“, erklärt die gelernte Einzelhandelskauffrau. Wenn sie auf Messen in ganz Deutschland unterwegs sei, erlebe sie großes Interesse und strahlende Gesichter bei den Leuten, die an den Stand kommen, um sich nach Campus Galli zu erkundigen. Auch der Probetag auf dem Gelände habe so viele Menschen angezogen und man habe erleben können, wie sehr sich Kinder und Erwachsene für das Handwerk interessieren.
Verena Scondo wird das Management auf der Baustelle übernehmen. In ihrer Hand liegen die Einteilung der Handwerker und Mitarbeiter, die Organisation sowie zu überprüfen, ob alles auf der Baustelle glatt läuft. Sie wird die Einzige des Mitarbeiterteams sein, die nicht frühmittelalterlich bewandet ist, sondern mit Einsatzplänen von morgens bis abends zwischen den verschiedenen Bereichen hin und her pendeln. Dazu gehöre auch die Küche und das Essen. Da alle Mitarbeiter auf der Baustelle auf mobile Telefone verzichten, müssen Informationen zu Fuß übertragen werden. Scondo wird sich jeden Tag davon überzeugen, dass die einzelnen Gewerke besetzt sind. „Die vielen Male, in denen wir GuedÁ©lon besuchten, waren die Töpfer nie anwesend. So etwas soll es auf unserer Baustelle nicht geben“, ist sich Scondo sicher. Die Besucher sollen für ihr Geld etwas zu sehen bekommen, formuliert sie das Ziel.
„Für den Start im Juni stehen alle Pläne“, versichert Scondo. Der Personalplan stehe fest. Darin hätten sie diejenigen Leute berücksichtigt, die schon längere Zeit mit all ihrem Enthusiasmus für die Klosterstadt arbeiten. Auch die Infrastruktur sei genauestens durchgeplant. Vor der Öffnung der Tore wird das gesamte Team 14 Tage lang zur Probe arbeiten, um herauszufinden, wo es Schwierigkeiten oder Engpässe geben könnte. Wegen der Kassen für die Eintrittsgelder konnten sie sich an professionelle Firmen wenden. Sie werden geleast und könnten ohne Probleme von zwei auf drei aufgestockt werden, berichtet Scondo. „Es wird mit Sicherheit jeden Tag irgendwelche Probleme geben, die werden wir jedoch lösen“, ist Scondo überzeugt. Denn der große Vorteil des Projektes ist, dass Zeit letztendlich keine Rolle spiele. Man könne in Ruhe alles angehen und die Erfahrungen für den laufenden Prozess nutzen.
Verena Scondo bekräftigt, dass das jetzige Gelände das schönste Grundstück ist, das in Frage gekommen sei, da nicht jeder Bereich sofort einsehbar sein werde. „Für Besucher ist es ein besonderes Erlebnis, wenn sie das Handwerk zuerst über den Klang wahrnehmen und danach erst die Tätigkeit sehen“, schwärmt sie.
Eine der großen Aufgaben habe in letzter Zeit darin bestanden, die Mitarbeiter von Monat zu Monat zu vertrösten. „Viele konnten nicht nachvollziehen, dass es zu solchen zeitlichen Verschiebungen kommt“, erläutert sie. Diejenigen, die mit dem Ablauf der Bürokratie nicht vertraut sind, verstanden oft nicht, dass Genehmigungen einen großen Vorlauf brauchen und durch möglicherweise neue Erkenntnisse verzögert werden.
„Ich werde bis zum Startschuss noch meiner jetzigen Tätigkeit nachgehen, danach wechsle ich nach Meßkirch“, erzählt sie von ihren Plänen. Allerdings werde sie in ihrem Wohnort in diesem Jahr noch nicht alles aufgeben, da die Saison durch die Verschiebungen verkürzt ist. Doch danach erfolge der vollständige Umzug nach Meßkirch. „Und im Winter, wenn die Baustelle geschlossen ist, besuchen wir weiterhin die Messen“, freut sie sich auch auf die kalte Jahreszeit.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 25.04.13:
Isabell Michelberger hat geschrieben:
Klosterstadt: Ein Rind steht Modell

In Klosterstadt diskutieren die zwei Spezialisten Norbert Bischofsberger und "Ochsenflüsterer" Eberhard Hauff über die perfekte Ausrüstung für Klosterstadt-Ochse Kilian.


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"Ochsenflüsterer" Eberhard Hauff und Sattler Norbert Bischofsberger (von rechts) besprechen, wie das Kummet und das Brustgeschirr für die Ochsen beschaffen sein muss. Bild: Michelberger

Klosterstadt-Ochse Kilian musste vor dem Stall der Familie Scheidemandel Geduld beweisen, während die Spezialisten über seine zukünftige Ausrüstung diskutierten. Es ging um die Frage, wie das Kummet, das um den Hals liegende gepolsterte Geschirr, und das Brustgeschirr beschaffen sein müssen, damit die Zuglast nicht am Bauch zerrt und das Gewicht des Wagens optimal verteilt ist. Sattler Norbert Bischofsberger (links) und „Ochsenflüsterer“ Eberhard Hauff (rechts), der sich um die Erziehung der Ochsen kümmert, legten Kilian Probegeschirre an und besprachen, wie die spezielle Klosterstadt-Ausrüstung aussehen soll. Beim Fachsimpeln der Männer war auch die Schwierigkeit zu spüren, eine Lösung zu finden, die alle erforderlichen Aspekte berücksichtigt, wie Tierschutz, Anpassung an das Frühmittelalter, Materialoptimum und Funktionstüchtigkeit. Doch die Männer hatten Freude daran, sich dieser Herausforderung zu stellen.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 27.04.13:
Gregor Moser hat geschrieben:
Meßkircher Klosterstadt: Erschließungsarbeiten laufen an

Der Aachener Klosterstadtverein sucht noch nach freiwilligen Helfern, die wochenends auf der Mittelalterbaustelle mitanpacken wollen, die am 22. Juni eröffnet. Landesminister Alexander Bonde hat sich für den 10. Mai auf dem Klosterstadtgelände angekündigt, um eine Lieferung Bau- und Brennholz zu überbringen.


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Die Arbeiten für einen Parkplatz der Klosterstadt in Meßkirch laufen an. Da der Platz in einem Wasserschutzgebiet liegt, werden zur Abdichtung Matten aus Tonmaterial verlegt.

Am Samstag, 22. Juni, ist es soweit: „Campus Galli“, die Klosterstadtbaustelle in Meßkirch im südlichen Kreis Sigmaringen wird nach dreijähriger Vorbereitungszeit eröffnet. In 40-jähriger Bauzeit soll dort mit den Methoden des Mittelalters die karolingische Klosterstadt nach dem St. Galler Klosterstadtplan erbaut werden, der auf der Insel Reichenau entstand.
Nachdem die Stadtverwaltung Meßkirch jüngst die Baufreigabe durch das Landratsamt Sigmaringen erhielt, begannen nun die vorbereitenden Bauarbeiten. Vor zwei Wochen vergab der Technische Ausschuss der Stadt für rund 560 000 Euro Aufträge, um das Gelände zu erschließen und um den Eingangs- und Infobereich inklusive eines Parkplatzes für 150 Autos und 33 Busse zu bauen.
Während mit der Vergabe des „Roten Punkts“ die Erdarbeiten beginnen konnten, arbeitet der Aachener Verein Karolingische Klosterstadt mit dem Vorsitzenden Bert Geurten an seiner Spitze schon seit Monaten daran, dass das Klosterstadt-Projekt ein Erfolg wird. Nach der Eröffnung im Juni sollen die Besucher an 17 Stationen Handwerkern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen können und dabei lernen, wie im Mittelalter gearbeitet wurde. Zu sehen sein werden Korbmacher, Drechsler, Seiler, Imker und Steinmetze. Deren Motto: Muskeln statt Maschinen. Auch einen Steinbruch und einen Heilkräutergarten wird es geben. Ein Film soll zeigen, wie die Klosterstadt in 40 Jahren aussehen könnte. Der Rundweg soll in etwa drei Stunden zu durchlaufen sein, auf einem Marktplatz sollen sich die Besucher verpflegen können und es wird einen kleinen Markt geben.
Gebaut werden sollen zunächst eine Holzkirche und Unterkünfte für die Arbeiter. Ein wissenschaftlicher Beirat mit Matthias Becher, Professor für die Geschichte des Mittelalters an der Universität Bonn und gebürtig aus der Heideggerstadt Meßkirch, soll die Arbeit auf der Baustelle begleiten. Der Beirat soll Sorge dafür tragen, dass auf der Klosterstadtbaustelle soweit möglich mit denselben Methoden wie in der Karolingerzeit gearbeitet wird.
Laut Geurten werden in diesem Jahr zwischen 15 und 20 Angestellte des Klosterstadtvereins auf der Baustelle aktiv sein. Damit auch an den Wochenenden, wenn etwa ein Viertel der Belegschaft fehlt, genügend Arbeiter vor Ort sind, sucht der Klosterstadtverein Freiwillige, die Interesse daran haben, an dem Projekt mitzuarbeiten, das Geschichte, Architektur und Tourismus miteinander verbindet. Gemeinsam mit dem SÜDKURIER veranstaltet der Klosterstadtverein daher ein Casting für Interessierte auf der Klosterstadtbaustelle. „Gesucht werden alle Professionen“, sagt Geurten und er fährt fort: „Bei uns können die Leute träumen, das ist ein bisschen so wie Märklin-Eisenbahn fahren.“ Die freiwilligen Helfer würden angeleitet und sie bekämen mittelalterliche Kleidung von dem Verein gestellt. Zudem sollte es zweimal jährlich ein Fest und eine Vorab-Führung über das Gelände geben.
Unterstützung erfährt das Projekt indes auch von Landesseite: Nachdem das Ministerium für Ländlichen Raum dem Tourismusprojekt bereits 2011 einen Zuschuss über 120 000 Euro gewährte, will Minister Alexander Bonde am 10. Mai 40 Festmeter Eichen- und Buchenholz übergeben.
 
Wer freiwillig an dem Projekt mitarbeiten möchte, kann sich für ein Casting melden
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

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Im Südkurier am 08.05.13:
Isabell Michelberger hat geschrieben:
Klosterbaustelle: Streit um Arbeitsmethoden

Wie viel Frühmittelalter ist im 21. Jahrhundert erwünscht und machbar? Darüber ist auf der Klosterbaustelle ein Streit entbrannt. Living-History-Fachmann Andreas Sturm kritisiert zu moderne Arbeitsmethoden, spricht von einem drohenden Disneyland. Klosterstadt-Chef Bert Geurten widerspricht und führt unter anderem Sicherheitsaspekte an.


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Andreas Sturm (Bild) kritisiert, dass auf der Klosterbaustelle ein falsches Geschichtsbild vermittelt werde. Man entferne sich immer weiter vom frühen Mittelalter, um dem Publikumsbedürfnis gerecht zu werden. Klosterstadt-Chef Bert Geurten sieht das anders und spricht von notwendigen Kompromissen. Das Projekt stehe erst am Anfang der wissenschaftlichen Arbeit. (Bild: Sybille Bayer)

Je mehr an der konkreten Umsetzung der karolingischen Klosterstadt gearbeitet wird und je näher der Eröffnungstermin der Klosterbaustelle rückt, desto stärker zeigt sich der schwierige Spagat zwischen frühem Mittelalter und den Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Dies äußerte sich aktuell im Konflikt der unterschiedlichen Prioritäten von Andreas Sturm, der bisher den Bereich „Living History“ betreute, und Bert Geurten, dem Vorsitzenden des Vereins Karolingische Klosterstadt.
Sturm wirft dem Verein in verschiedenen Schreiben, die er auch an die Stadt und den Stadtrat richtete, vor, dass sich die Planung der Klosterbaustelle immer weiter vom frühen Mittelalter entferne, um dem Publikumsbedürfnis gerecht zu werden. Sie drohe zu einer Art Disneyland zu werden. Bert Geurten hingegen sieht das Projekt erst am Anfang der wissenschaftlichen Arbeit. Erst einmal müsse die Arbeit auf der Baustelle vollständig anlaufen und danach müsse man daran gehen, die aus praktischen Gründen geschlossen Kompromisse weiter in Richtung Frühmittelalter zu entwickeln. Zudem entbehrten einige Vorwürfe bereits jetzt ihrer Grundlage, wie Geurten anfügte.
Andreas Sturm, der in einigen Veröffentlichungen als „Mittelalter-TÜV“ bezeichnet wird, und der diese Rolle auch gerne einnimmt, wies anhand von Briefen an die Stadträte, an den Bürgermeister, Landrat und die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats auf zehn Punkte hin, die nach seiner Meinung nicht dem Vorbild des frühen Mittelalters entsprechen. Er kritisiert, dass auf der Klosterbaustelle ein falsches Geschichtsbild vermittelt werde.
„Wir fangen doch jetzt erst an mit dem wissenschaftlichen Arbeiten und Experimentieren“, wehrt sich Bert Geurten. „Erst Ende Februar haben wir erfahren, dass die Baustelle am 22. Juni eröffnet werden kann und erst seit Mai verfügt der Verein über eigene Mitarbeiter und eigenes Geld“, weist Geurten auf die veränderten Umstände hin.
Einige Punkte, die Andreas Sturm beanstande, hätten mal als Idee bestanden, es sei aber nicht an deren ernsthafte Realisierung gedacht worden. „Wenn es die Gesundheit, die Sicherheit und in großem Maße die Finanzen betrifft, kann ich keine Kompromisse eingehen“, bekräftigt Geurten. Ein gutes Beispiel sei der Ochsenkarren. Folge man dem frühmittelalterlichen Beispiel, dürfte die Achse nur aus Holz sein. „Herr Riester, der seit 40 Jahren als Wagner arbeitet, war sich sicher, dass diese Achse nach spätestens 30 Arbeitsstunden bricht“, erläutert Geurten. Nun stehe historische Treue gegen die Erfahrungen aus dem 21. Jahrhundert. „Und bevor die Achse tatsächlich bricht und die Ladung jemandem auf den Fuß fällt, entscheide ich mich im Sinne der Sicherheit“, setzt Geurten klare Prioritäten, da er im Schadensfall als Verantwortlicher herangezogen werde. Es würden aber nebenher Experimente mit einer Holzachse gemacht. „Vielleicht ist sie ja doch stabiler als angenommen wird“, räumt Geurten ein. Ebenso sei es mit dem Bier, welches eine Übergangslösung darstelle. Er sei mit der Brauerei im Gespräch, die ein historisch authentischeres entwickeln wolle.
Im Moment gebe es noch zahlreiche Kompromisse zugunsten der Attraktivität für die Besucher. „Wir müssen eben berücksichtigen, dass wir kein Forschungsinstitut sind, das langfristig über öffentliche Gelder verfügen kann“, erklärt Geurten. „Wir müssen uns nach vier Jahren durch die Eintrittsgelder finanzieren und insofern müssen wir etwas bieten, was die Besucher zufriedenstellt und was ihnen Lust auf weitere Besuche macht.“
Doch trotz der Kritikpunkte, welche Andreas Sturm erst einmal bewogen, die Arbeit für die Klosterstadt einzustellen, sieht Geurten weiterhin die Möglichkeit einer Zusammenarbeit. Der Historiker Erik Reuter, der seit einiger Zeit für die Klosterstadt arbeitet, werde dieses Jahr die Betreuung übernehmen und ab Mitte Mai vor Ort sein. Und ab Herbst werde dann der wissenschaftliche Beirat regelmäßig über die Entwicklung informiert, um Rat befragt und einbezogen.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 22.05.13:
Gregor Moser hat geschrieben:
Klosterbaustelle: Streit um Arbeitsmethoden

Der Startschuss für das monumentale Vorhaben, bei Meßkirch eine mittelalterliche Klosterstadt zu bauen, ist noch nicht gegeben. Trotzdem ist hinter den Kulissen bereits ein Streit unter den Machern entbrannt.


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Die Pläne sind fertig, aber noch kein Stein steht auf dem anderen: Im Vorfeld der bei Meßkirch geplanten Klosterstadt gibt es Streit. Das Projekt startet offiziell am 22. Juni.

Im Zentrum der Kritik steht Bert Geurten, Vorsitzender des Vereins Karolingische Klosterstadt. Für die „Living History“-Szene, die das Mittelalter möglichst originalgetreu nachbilden will, geht er zu viele Kompromisse mit den Zwängen der Gegenwart ein.

Zu viele Kompromisse mit den Zwängen der Gegenwart?

Vorgetragen wird die Kritik von Andreas Sturm, der die vergangenen sieben Jahre für den Verein den Bereich „Living-History“ bearbeitete und den Geurten früher als seinen „Mittelalter-Tüv“ betitelte. In einem Schreiben, das Sturm an den Sigmaringer Landrat Dirk Gaerte und an den Meßkircher Gemeinderat schickte, kritisiert er Entscheidungen des Vereinsvorstands und stellt die Frage, ob dessen Vertreter genügend Sachkenntnis für das Projekt mitbringen. Hintergrund des Zwistes sind offenbar aber auch entgegengesetzte Standpunkte, was die Anstellungsbedingungen des bis zuletzt in freier Mitarbeit tätigen Sturm betrifft.
Die Vorwürfe von Living-History-Vertretern zielen einerseits auf die Person Geurten, andererseits wird die Klosterstadt schon vor ihrer Eröffnung am 22. Juni dafür kritisiert, dass sie mehr ein Wirtschaftsbetrieb denn ein archäologisches Experiment sei, und daher nicht authentisch. Sturm kritisiert etwa, dass die Baustelle nicht als Rodungsinsel im Wald, sondern entlang eines Rundwegs angelegt ist. Durch Handwerkerinseln im Wald werde das falsche Bild einer mit der Natur in Einklang lebenden Gesellschaft gezeichnet. Ein anderer Kritikpunkt ist, dass die Klosterstadt nach seinem Weggang nicht mehr über geschulte Mitarbeiter verfüge, um den Besuchern die Karolingerzeit nahezubringen.

Täglicher Spagat zwischen Mittelalter und dem 21. Jahrhundert

Geurten vertritt als Antwort auf den täglichen Spagat zwischen Mittelalter und 21. Jahrhundert eine klare Linie: Bei allen Fragen, die die Sicherheit der Besucher, die Gesundheit der Angestellten und die Wirtschaftlichkeit des Projekts betreffen, an das im Landkreis Sigmaringen große Hoffnungen geknüpft werden, entscheidet der Vorstand. In allen anderen Fragen werde der wissenschaftliche Beirat des Vereins entscheiden, dem Professoren aus Aachen, Stuttgart, München, Tübingen und Wien angehören sollen. „Es wäre wünschenswert gewesen, hätte der Beirat seine Arbeit schon aufgenommen“, räumt Geurten ein. Doch sei das aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht machbar gewesen, werde sich nun aber ändern.”¨”¨Würden alle Handwerker auf einer Lichtung arbeiten, hätten die Besucher in einer Stunde schon alles gesehen. Durch den Rundweg könnten sie drei bis vier Stunden auf dem acht Hektar großen Gelände verweilen, das am Ende ebenfalls eine zusammenhängende Fläche sein werde, fährt er fort und stellt klar, dass die Mitarbeiter geschult würden ”“ auch von Museumspädagogen. Zusätzlich soll es Führer auf dem Gelände geben.
Was seine Sicht auf das Thema „Sicherheit“ betrifft, gibt er ein Beispiel: Auf dem Gelände soll ein Holzkarren, der von Ochsen gezogen wird, zur Arbeit eingesetzt werden. Ein am Bau beteiligter Wagnermeister riet wegen Bruchgefahr von einer Holzachse ab. Darauf entschied der Vorstand, eine nicht-authentische Metallachse einzubauen. „Angenommen, die Achse bricht und der Wagen fällt einer Schulklasse auf die Füße, das darf nicht sein“, begründet Geurten den Schritt und geht auf Distanz zur Living-History-Lehre. Um den forschenden Anspruch des Projekts zu wahren, werde jedoch ein zweiter Wagen mit einer Holzachse gebaut, mit dem eine mittelalterliche Achse getestet werden soll.”¨

Matthias Becher, Professor für die Geschichte des Mittelalters an der Universität Bonn und Mitglied im Beirat, bedauert die Auseinandersetzung, die, wie er sagt, die sachliche Ebene verlassen hat. Es sollte vor der Eröffnung kein negativer Zungenschlag in das Projekt kommen, stellt er fest und bekräftigt, dass es nicht zu viele Kompromisse geben darf. Einige der kursierenden Anfeindungen könne er indessen nicht nachvollziehen. So lautet eine Kritik, dass die Erschließungsarbeiten des Geländes und das Anlegen eines Besucherparkplatzes mit Maschinen und nicht per Hand ausgeführt werden. Geurten spricht angesichts dessen, dass zwischen dem Eintreffen der letzten Bau-Genehmigung und der Eröffnung dreieinhalb Monate liegen, von „absurden Vorwürfen“ und versichert: „Ab der Eröffnung am 22. Juni werden wir keine Maschinen mehr einsetzen.“
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

In der Schwäbischen am 22.05.13:
Corinna Wolber hat geschrieben:
Wichtiger Experte kehrt der Klosterstadt den Rücken

Andreas Sturm, der jahrelang als „Mittelalter-Tüv“ für Campus Galli tätig war, erhebt Vorwürfe gegen das Projekt


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Kurz vor der Eröffnung der Klosterstadt kommen dem Projekt Experten abhanden. (Foto: Archiv)

Hinter den Kulissen der Klosterstadt ist eine heftige Debatte um deren Wissenschaftlichkeit entbrannt.

Die führt so weit, dass der „Living-History“-Experte Andreas Sturm dem Projekt Ende März die Zusammenarbeit aufgekündigt hat. Sturm war von Klosterstadt-Initiator Bert M. Geurten in der Vergangenheit immer mal wieder als „Mittelalter-Tüv“ bezeichnet worden ”“ also als derjenige, der durch seine Expertise die Authentizität des Projekts gewährleisten sollte. In einem Brief an Landrat Dirk Gaerte und den Meßkircher Gemeinderat, der der SZ vorliegt, erklärte er am 26. März unter anderem, dass er „für die Recherche der vorwiegend archäologischen Grundlagen“ verantwortlich gewesen sei und die Aufgabe gehabt habe, „das Projekt gegenüber der Wissenschaft zu vertreten“. Und genau da liegt das Problem.
„Der Campus Galli muss sich entscheiden, was er eigentlich sein will“, sagt Sturm. Wissenschaftlichen Ansprüchen genüge er jedenfalls nicht: Wenn die Klosterstadt ein Museum werden wolle, müsse sie ein korrektes Bild der Vergangenheit vermitteln. Laut Sturm tut sie das aber nicht: „Das ganze Layout der Baustelle dient wirtschaftlichen Interessen, um die Aufenthaltsdauer der Besucher zu verlängern.“ Der angelegte Rundweg entspreche keiner frühmittelalterlichen Siedlung, „das Geschichtsbild wird zugunsten wirtschaftlicher Erwägungen verändert“.
Corinna Wolber hat geschrieben:
Kommentar: Beirat trifft sich viel zu spät

Die Klosterstadt ist eine große Chance für Meßkirch und die ganze Region. In erster Linie ist sie aber eine touristische Chance ”“ und wohl kaum eine wissenschaftliche. Es ist problematisch, wenn zwar postuliert wird, dass renommierte Wissenschaftler das Projekt begleiten sollen, diese sich aber untereinander überhaupt nicht kennen. Wenn der wissenschaftliche Beirat wirklich eine beratende Funktion haben soll, ist der Eröffnungstag der Klosterstadt für ein erstes Treffen mit Gedankenaustausch viel zu spät. Man kommt kaum umhin, diesen wissenschaftlichen Anstrich als Mogelpackung zu verdächtigen. Dass Campus Galli trotzdem ein Erfolg werden kann, ist davon unbenommen. Wenn es gelingt, die Klosterstadt zu einem bedeutenden Ausflugsziel zu machen, zu einer richtig spannenden Attraktion, bei der das Mittelalter erlebbar wird, hätte sie schon viel für Meßkirch getan. Ob sie aber tatsächlich zu einer wichtigen wissenschaftlichen Quelle für viele Bachelor- oder Doktorarbeiten wird, wie Geurten hofft, ist mehr als fraglich. Was das betrifft, ist die Kritik berechtigt.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

In der Schwäbischen am 23.05.13:
Corinna Wolber hat geschrieben:
Klosterstadt: Geurten wehrt sich gegen vehemente Vorwürfe

Der Initiator der Klosterstadt weist Kritik zurück, er sei nur am Umsatz interessiert und weniger an der Wissenschaft


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Bert M. Geurten weist Kritik zurück, er sei nur an Profit und nicht an Wissenschaftlichkeit interessiert. (Foto: Wolber)

Die Vorwürfe, mit denen Campus Galli bereits vor der offiziellen Eröffnung konfrontiert wird, wiegen schwer.

Im Internet tauschen sich Vertreter der „Living-History“- Szene in entsprechenden Foren aus - und häufig läuft ihre Kritik darauf hinaus, die Wissenschaftlichkeit der Klosterstadt in Frage zu stellen. Wie die SZ berichtete, haben unter anderem derlei Streitigkeiten über die detaillierte Umsetzung einer mittelalterlichen Baustelle Ende März zum Rücktritt Andreas Sturms geführt, der bis dato als "Mittelalter-Tüv" von Campus Galli galt. Weitere interne Auseinandersetzungen zwischen Sturm und dem Vorstand des Vereins Karolingische Klosterstadt taten ihr Übriges dazu.
Bert M. Geurten hat für derlei Kritik allerdings kein Verständnis. "Natürlich hat es im Mittelalter keine Schutzbrillen auf Baustellen gegeben, und natürlich hatten Trinkbecher keinen Eichstrich", sagt er. "Aber wir müssen am Ende unseren Kopf dafür hinhalten, wenn etwas passiert. Daher bringt mich niemand dazu, die geltenden Gesetze zu brechen." Er sei stets darauf erpicht, auf der Baustelle "so viel 9. Jahrhundert wie möglich" zu realisieren - aber eben auch "so viel 21. Jahrhundert wie nötig". Konkret meint er damit beispielsweise den Bau des Ochsenkarrens, in den statt einer Holz- eine Eisenachse eingebaut wurde. "Wenn mir ein Wagnermeister davon abrät, sie aus Holz zu bauen, weil ein Achsbruch gefährliche Folgen haben kann, dann nehme ich aus Sicherheitsgründen eben auch die Eisenachse." Das bedeute nicht, dass nicht zu einem späteren Zeitpunkt auch ein "echter" mittelalterlicher Ochsenkarren gebaut werde, der dann von den Mitarbeitern auf der Baustelle benutzt und getestet werde.
Was die Arbeit des wissenschaftlichen Beirats betrifft, räumt Geurten ein, dass da "nicht alles optimal gelaufen" sei. Er erklärt, dass bisher Zeit und Geld für eine gemeinsame Tagung der insgesamt 18 Beiratsmitglieder gefehlt hätten. Die grundsätzliche Kritik, dass der Temin für eine konstituierende Sitzung am Eröffnungstag reichlich spät sei, kann er prinzipiell verstehen. "Aber die Fachgebiete der einzelnen Wissenschaftler haben teilweise ohnehin nur eine sehr geringe Schnittmenge." So müssten sich ein Experte für Wassertechnik des 9. Jahrhunderts und ein Tierarzt, der sich mit mittelalterlicher Medizin auskennt, nicht über dieselben Themen Gedanken machen.
"Künftig wird der wissenschaftliche Beirat regelmäßig von uns angeschrieben und über Aktuelles informiert. Dann hat er vier Wochen Zeit, um sich zu äußern oder sein Veto einzulegen", sagt Geurten. Mindestens einmal im Jahr solle es zudem eine gemeinsame Sitzung geben. Er versichert, die Experten über alle wissenschaftlichen Fragen entscheiden lassen zu wollen, die nicht die Sicherheit, Gesundheit oder Wirtschaftlichkeit tangieren. "Aber ich kann beim besten Willen keinen Wissenschaftler entscheiden lassen, eine Holzachse zu bauen, wenn Sicherheitsbedenken dagegen stehen."
Rückendeckung für diese geplante Regelung bekommt Geurten von Professor Ernst Tremp, Stiftsbibliothekar von St. Gallen, "Hüter des Klosterplans" und daher sein "wichtigster Ansprechpartner". "Man muss Kompromisse schließen, die reine Lehre gibt es da nicht", sagt Tremp. "Und Puristen, die sie dennoch vertreten, würden so ein Projekt wahrscheinlich nicht realisieren können." Auf der Baustelle gehe es darum, "Schritt für Schritt vorzugehen und Punkt für Punkt zu beachten" - und dafür gebe es den wissenschaftlichen Beirat.
Dass Geurten "immer auch die Besucher im Blick" hat, ist für ihn kein Widerspruch zur Wissenschaft: "Ich habe einen Etat für vier Jahre. Wenn das Projekt dann nicht läuft, ist Schluss." Würde er sich beispielsweise gegen die behördlich geforderten lasierten Becher mit Eichstrich wehren, könnten die Besucher auch kein Getränk verzehren - und damit klappe dann auch die Kalkulation zusammen. "Für das original Mittelalterliche haben wir dann unseren Töpfer, der auf der Baustelle produziert." Viele Menschen, viele Erwartungen, viele Meinungen: Die Debatte wird wohl noch weitergehen - womöglich 40 Jahre lang.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 29.05.13:
Klosterstadt: Eintrittspreise

Ermäßigten Eintritt für den Campus Galli erhalten alle Einwohner von Meßkirch. Gegen Vorlage des Ausweises zahlen Erwachsene 6 Euro und Kinder (bis 16 Jahre) 3,50 Euro. Für Familien mit maximal zwei Kindern kostet der Eintritt 14 Euro, jedes weitere Kind 3,50 Euro.


Regulär kostet der Eintritt für Erwachsene 9 Euro, für Mitglieder des Fördervereins 8 Euro, für Schüler und Studenten 7 Euro, für Kinder (bis 16 Jahre) 6 Euro. Kinder bis sechs Jahre sind frei. Familien mit maximal zwei Kindern (sechs bis 16 Jahre) zahlen 21,50 Euro. Für Gruppen und Schulklassen gibt es gesonderte Tarife. Führungen sind möglich.
Jahreskarten kosten für Erwachsene 59 Euro. Kinder bezahlen für die Jahreskarte 36 Euro. Familienkarten kosten 98 Euro.
Eintrittskarten sind ab Anfang Juni im Büro des Klosterstadtvereins und bei der Tourist-Information erhältlich.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

In der Schwäbischen am 05.06.13:
Corinna Wolber hat geschrieben:
Stadt behält die Kontrolle über Klosterstadt-Finanzen

Löwenanteil der Zuschüsse wird von der Gemeinde verwaltet ”“ Geurten und Zwick wollen Transparenz


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Das Geld für die Schaffung der Infrastruktur bekommt Campus Galli zwar aus dem EU-Topf Leader. Verwaltet wird es aber von der Stadt. (Foto: Archiv/Corinna Wolber)

Je näher der Eröffnungstermin der Klosterstadt rückt, umso lauter wird die Frage, ob das Projekt auch wirtschaftlich ist. Hintergrund ist, dass manche Campus Galli nicht zutrauen, finanziell auf eigene Füße zu kommen. Hinzu kommen Gerüchte und Unterstellungen, dass sich Initiator Bert M. Geurten persönlich an dem Projekt bereichern wolle ”“ womöglich sogar auf Kosten der Steuerzahler. Dabei war es der Verein Karolingische Klosterstadt selbst, der vor einiger Zeit vorgeschlagen hat, einen Wirtschaftsbeirat als Kontrollgremium einzurichten. „Wir geben da freiwillig Kompetenzen ab, damit alles transparent ist“, sagt Geurten.

Wie die SZ berichtete, sollen unter dem Vorsitz von Manfred Sattler, Präsident der IHK Koblenz, zwei Banker, ein Meßkircher Unternehmer und Bürgermeister Arne Zwick als Vertreter der Stadt über die Finanzen von Campus Galli wachen. Der Wirtschaftsbeirat soll den Jahresetat genehmigen und muss über außerordentliche Ausgaben informiert werden. „Gerade hatten wir Probleme mit der Finanzierung des Küchencontainers“, sagt Geurten. Daraufhin habe er sich an den Beirat gewandt, der nun bei der Finanzierung helfe.
Neben derlei praktischer Hilfe im Kleinen wurden dem Wirtschaftsbeirat auch weitreichendere Kompetenzen eingeräumt: So soll er etwa die Gehälter derjenigen Vorstandsmitglieder festlegen, die später auch auf der Baustelle mitarbeiten. „Wenn wir das selbst machen würden, hätte das ein Geschmäckle“, sagte Geurten Anfang des Jahres. „Es soll eben nicht der Eindruck entstehen, dass sich Einzelne die Taschen vollmachen.“ Dass dies praktisch unmöglich sei, sagt auch Zwick ”“ denn die Stadt habe die „direkte Verwendungskontrolle“ über die größten Summen.
Tatsächlich bekommt Campus Galli in der Anfangsphase viel Geld ”“ der Löwenanteil stammt mit rund 450000 Euro aus dem EU-Fördertopf Leader. Allerdings fließt das Geld nicht direkt an den Verein, sondern an die Stadt. „Dadurch haben wir auch die Kontrolle darüber, dass das Geld zweckgebunden verwendet wird“, sagt Zwick. Künftig werde auch nicht nur der Wirtschaftsbeirat über die Finanzen der Klosterstadt informiert. „Die Buchhaltung bekommt dann natürlich auch der Gemeinderat zu Gesicht.“ So könne dieser jederzeit nachvollziehen, was mit dem Geld passiert und welche Summen in was gesteckt wurden.
„Die Entscheidung, ein bestimmtes Projekt zu fördern, wird auch niemals übers Knie gebrochen“, sagt Emmanuel Frank von der Leader-Geschäftsstelle im Landratsamt Sigmaringen. Im Fall der Klosterstadt sei sie von großer Expertise begleitet worden. „Im Vorfeld gab es nicht nur Gespräche, es wurden auch detaillierte Untersuchungen verlangt.“ Daran seien die Leader-Aktionsgruppe vor Ort, aber auch das Regierungspräsidium und das Land Baden-Württemberg beteiligt gewesen. Die knappe halbe Million Euro gebe es zudem „nicht einfach so“, sondern das Geld sei „mit einer 15-jährigen Zweckbindungsfrist verbunden“, sagt Frank. Wenn man die Infrastruktur mithilfe von Leader-Geld schaffe, müsse der Betrieb auch 15 Jahre lang wie vereinbart laufen. „Wenn nicht, gibt es eine Prüfung, ob Fördermittel zurückgegeben werden müssen.“ Diesen Fall hält Frank aber für unwahrscheinlich. „Im Zweifelsfall würden wir erst einmal gemeinsam mit allen Beteiligten nach einer Lösung suchen.“ Es sei dann beispielsweise denkbar, den Betrieb von Campus Galli zu verändern oder zu verkleinern. „Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass es über Jahre funktioniert.“ In der Leader-Aktionsgruppe Oberschwaben habe es auch noch nie eine Rückforderung gegeben.
Finanzielle Unterstützung hat indes auch der Landkreis zugesagt. Er gibt der Klosterstadt einen Zuschuss von 20000 Euro und ein Darlehen über 100000 Euro. „Das wurde aber noch gar nicht abgerufen“, sagt Karlheinz Fahlbusch, Sprecher des Landratsamts. Für mehrere Jahre sei der Kredit tilgungsfrei. „Und wenn dann kein Geld da sein sollte, bürgt die Stadt Meßkirch.“
Doch so weit soll es gar nicht erst kommen. Geurten kalkuliert derzeit mit rund 250 Besuchern am Tag, das hält er „für erreichbar“. Damit sei es nach seinen Berechnungen theoretisch möglich, bereits Ende 2013 eine schwarze Null zu schreiben. Und auch Bürgermeister Zwick verbreitet Zuversicht: Für ihn ist wichtig, dass „alles transparent ist“. Da letztlich die Stadt die Kontrolle über die Finanzen habe, gebe es die Möglichkeit zu intervenieren, bevor es zu spät ist.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 11.06.13:
Hermann-Peter Steinmüller hat geschrieben:
Wer kann sich beim Casting für die Klosterstadt durchsetzen?

Zwölf Teilnehmer sind beim Klosterstadt-Casting dabei. Der SÜDKURIER hat neue, interessierte Helfer auf die Baustelle eingeladen.


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„Ich bin mehr als zufrieden, die Veranstaltung lief genau so, wie ich es mir gewünscht habe.“ Diese Bilanz zog Klosterstadt-Initiator Bert M. Geurten nach dem „Casting“ für neue, ehrenamtliche Helfer auf dem Campus Galli. Zu dem Termin hatten sich zwölf Interessenten eingefunden. Der SÜDKURIER als Medienpartner der Klosterstadt hatte zu dem Termin eingeladen. Geurten: „Das war für unser Casting genau die richtige Zahl.“”¨”¨Die absolute Exotin unter den Interessierten war Jana Hartmann aus Berlin. Die 49-Jährige hatte in der Bundeshauptstadt aus den Medien von dem Klosterstadtprojekt erfahren und war von Anfang an beeindruckt und begeistert. Zusammen mit ihrem Mann war die Berlinerin extra zu dem Casting nach Meßkirch gekommen. Schon am Beginn des Rundgangs über den neuen Informationspfad rund um die zukünftige Baustelle stand für sie fest, ein oder zwei Monate als ehrenamtliche Helferin auf dem Campus Galli mitzuarbeiten. Die heutige Hausfrau und frühere Fernmeldetechnikerin ist nach eigenem Bekunden von der Geschichte an sich und besonders vom Mittelalter fasziniert.
”¨Ähnlich ergeht es auch Norbert Stelte aus Überlingen. Der Physiker und Innovationsmanager ist von der Idee, in 40 Jahren eine Klosterstadt mit den Arbeitsmitteln des neunten Jahrhunderts zu errichten, schlicht beeindruckt.
Er gibt zu: „Handwerklich habe ich keine besonderen Fähigkeiten zu bieten, aber vielleicht kann ich mich als Handlanger nützlich machen.“ Zwar kann der Überlinger keinen wochenlangen Arbeitseinsatz auf dem Campus Galli einbringen, aber an den Wochenenden habe er schon Zeit.
Ähnlich wie der Physiker vom Bodensee verfolgt auch Daniel Loubert aus Villingen-Schwenningen das Meßkircher Bauprojekt über den SÜDKURIER. Der Angestellte hat sich vorgenommen, möglichst oft an den Wochenenden zu helfen. Besonders freut er sich: „Meine Frau unterstützt mich dabei und hat mich in der Idee bestärkt, hier mitzuwirken.“ Die Faszination des Projekts ist an kein Alter gebunden. Das wird am Beispiel von Luisa Hinz, einer 15-jährigen Gymnasiastin aus Leibertingen, deutlich. Ihre Mutter arbeitet bereits als Sekretärin im Klosterstadtverein mit. „Ich wollte nur mal selbst sehen, für was meine Mutter so arbeitet“, erzählt die Schülerin. Was sie sah, hat das Mädchen offenkundig begeistert: „Ich habe mir bis vor dem Rundgang überhaupt nicht vorstellen können, hier in meiner Freizeit mitzuarbeiten.“ Das habe sich durch die Begegnung mit dem konkreten Projekt aber geändert. Die Töpferin Martina Heil ist von Dettingen am Hochrhein nach Meßkirch gekommen. Sie zeigte sich im SÜDKURIER-Gespräch besonders an der Geschichte der Töpfertechnik im neunten Jahrhundert interessiert.
Bert M. Geurten bestätigt den Eindruck, dass die an ehrenamtlicher Mitarbeit interessierten Teilnehmer am Casting von dem Projekt und der Geschichte des Mittelalters schlicht begeistert sind.
Unter ihnen sei auch eine Harfen-Spielerin gewesen, berichtet Geurten, und freut sich, damit auch den musikalischen Bereich des neunten Jahrhunderts abdecken zu können.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

In der Schwäbischen am 11.06.13:
Corinna Wolber hat geschrieben:
Hoteliers setzen auf die Klosterstadt

Es soll eine Homepage mit „Campus-Galli-Herbergen“ geben ”“ Pauschalangebote sind denkbar


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Bert M. Geurten zeigt Hoteliers aus der Region bei einer Kutschfahrt über das Gelände die Klosterstadtbaustelle. (Foto: Corinna Wolber)

Um guten Service für ihre Gäste bemühen sich die Hoteliers der Region normalerweise selbst ”“ am Dienstag kamen einige von ihnen aber auch mal in den Genuss einer professionellen Dienstleistung: Mit einem Planwagen wurden die Mitglieder der Initiativgruppe „Wir sind Campus Galli“ durch die künftige Klosterstadt kutschiert. Bei Dauerregen und entsprechend matschigen Böden war das dort sicherlich die bequemste Art der Fortbewegung. Ihr exklusiver Führer war der Initiator von Campus Galli persönlich: Engagiert erklärte Bert M. Geurten seinen Gästen das Konzept des Projekts und zeigte ihnen die vielen Stationen. Derzeit kann man dem Fortschritt auf der Baustelle regelrecht zusehen. Jeden Tag entstehen neue Hütten für die Handwerker ”“ es wird gesägt, gebaut und gewerkelt, was das Zeug hält.

Zuvor hatte sich die Initiativgruppe bei ihrem dritten sogenannten Kompakttreffen zusammengesetzt, um der Verwirklichung ihres gemeinsamen Plans ein Stück näher zu kommen. Wie die SZ berichtete, wollen mehrere Hoteliers aus Meßkirch und Umgebung das touristische Potenzial der Klosterstadt nutzen und nicht nur mit dem Verein Karolingische Klosterstadt, sondern auch miteinander kooperieren. „Durch die Zusammenarbeit mit Campus Galli erarbeiten sich die beteiligten Betriebe einen Wettbewerbsvorteil“, heißt es in einer entsprechenden Projektskizze. Die Federführung zu dieser Initiative hat Henrike Müller von der Bad Schussenrieder Agentur „Tourismus von unten“, die die Treffen zusammen mit Jennifer Bausch, Leiterin der Meßkircher Tourist-Information, koordiniert.
„Der Wunsch der Herbergen ist, mit dem Verein zunächst eine Pauschalvereinbarung für die ersten drei Jahre abzuschließen“, sagt Müller. Diese könnte beispielsweise freien Eintritt in die Klosterstadt für alle Gäste bedeuten, die in den beteiligten Betrieben übernachten. Davon hätte letztlich auch der Verein etwas: „Er würde von den Herbergen im Gegenzug eine finanzielle Pauschale bekommen, die ihm einen sicheren Sockel bietet ”“ egal, wie sich alles entwickelt.“ Wie sich das Angebot konkret gestalte, sei noch Verhandlungssache ”“ sowohl mit dem Verein als auch mit den teilnehmenden Herbergen. Sicher ist, dass es eine gemeinsame Internetseite geben soll.
In naher Zukunft soll laut Müller „eine möglichst breite Gruppe an Betrieben mit verschiedenen Konzepten und aus verschiedenen Regionen“ gewonnen werden. Einer davon könnte der von Oliver Spähn sein: Er betreibt in Aulendorf das Hotel Arthus und ist Spezialist für Themenhotellerie und Erlebnisgastronomie und zeigte sich am Dienstag sehr angetan von dem Projekt.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

In der Schwäbischen am 12.06.13:
Corinna Wolber hat geschrieben:
Die Klosterstadt-Container sind da

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Rico Prochaska ist mit dem Aufbau des Informationscontainers beschäftigt. (Foto: Corinna Wolber)

Auf der Baustelle von Campus Galli geht es zurzeit zügig voran ”“ Mitarbeiter einer Baufirma stellen den Parkplatz fertig, und auf dem Gelände selbst geht es an den einzelnen Stationen weiter. Eine ganz und gar nicht mittelalterliche Lieferung ist am Mittwoch aber auch auf der Baustelle angekommen: Eine Neufinsinger Firma für mobile Raumsysteme lieferte und installierte neun große Container. Darin werden unter anderem die Kasse, Sozialräume für die Mitarbeiter und Toiletten untergebracht. Das Fundament war schon vorher da ”“ die Mitarbeiter des Unternehmens mussten die Container nur noch abstellen und anschließend verschrauben und abdichten. „Alles in allem brauchen wir ungefähr zweieinhalb Stunden für einen Container“, sagte Rico Prochaska (Foto). Am frühen Mittag war er gestern mit seinem Kollegen am künftigen Informationscontainer im Eingangsbereich beschäftigt. Darin können sich die Besucher der Klosterstadt demnächst unter anderem einen Film ansehen, der über das Projekt informieren und in einer Dauerschleife laufen soll.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

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In der Schwäbischen am 12.06.13:
Corinna Wolber hat geschrieben:
Die Ackerbohnen wachsen schon

Bis zur Eröffnung von Campus Galli gibt es noch viel zu tun - Verantwortliche sind guter Dinge, dass alles klappt


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Die Agrarbiologin Mareike Punzel bewirtschaftet die Felder der Klosterstadt. Die Ackerbohnen bilden einen grünen Teppich. (Foto: Corinna Wolber)


Die Nervosität steigt. Auf der ganzen Klosterstadtbaustelle wird gesägt, gehämmert und gebaut. Die Zeit bis zur Eröffnung läuft rapide ab, in acht Tagen eröffnet Campus Galli. „Es wird knapp, aber wir schaffen es“, sagt Thomas Fuhrmann, fest angestellter Mitarbeiter. Er ist in diesen Tagen überall gleichzeitig, von geregelten Arbeitszeiten ist da wohl keine Spur. „Es sind einfach noch so unheimlich viele Kleinigkeiten, die wir erledigen müssen“, sagt er. Und die summieren sich zu einem großen Batzen Arbeit. Wirklich stressen lässt Thomas Fuhrmann sich davon aber nicht ”“ zumindest wirkt er, als sei er noch die Ruhe selbst.
Am Rundgang müssen noch zwei Stationen fertiggestellt werden. Eine davon ist das sogenannte Wollhaus, in dem später gesponnen, gewebt und gefärbt wird. Und auch der Unterstand für die Ochsen steht noch nicht. „Dafür suchen ein paar Mitarbeiter gerade geeignetes Holz zusammen“, sagt Fuhrmann.
Doch die Hütten allein sind nicht alles. „Vor den einzelnen Stationen sind wir gerade dabei, die Flächen zu gestalten.“ Beim Töpfer wird feiner Kies auf dem Boden verteilt, damit die Besucher möglichst nah heran gehen können, wenn dort im Museumsbetrieb Andy Ollinger an seiner mittelalterlichen Töpferscheibe die wildesten Kunststücke vollführt.
Überhaupt soll niemand durch den Schlamm waten müssen, wenn das Wetter mal nicht mitspielt. Wo das Gelände an der ein oder anderen Stelle hügelig ist, werden punktuell noch Stufen eingearbeitet, damit niemand stolpert. Und auch die groben Steine, die zurzeit noch auf dem Rundweg liegen, werden durch eine feinere Deckschicht aus Kies ersetzt. Ähnliches passiert auf dem künftigen Marktplatz von Campus Galli. Am vergangenen Montag verteilte dort ein Mitarbeiter der Firma Leiß aus Krauchenwies einen gut begehbaren Untergrund.
Im hinteren Bereich soll demnächst ein originalgetreuer Lehmofen gebaut werden, „das Untergestell müssen wir auch noch errichten“, sagt Fuhrmann. Immerhin: Der Dauerregen hat aufgehört, das erleichtert das Arbeiten auf der Baustelle.
Einer, der dem schlechten Wetter sogar noch etwas abgewinnen konnte, ist Bert M. Geurten: „Für uns war der Regen hilfreich“, sagt er. „Dadurch haben wir nämlich gemerkt, dass das Dach des Hühnerhauses undicht war.“ Der Grund: „Es war zu flach ”“ jetzt bauen wir ein neues, schrägeres.“ Ein Punkt mehr auf der Liste.
Auf den Feldern der Klosterstadt tut sich ebenfalls viel. Die Agrarbiologin Mareike Punzel hat einen 20 mal 30 Meter großen Gemüsegarten mit 18Beeten angelegt. Auf der Ackerfläche daneben wachsen Ackerbohnen. „Die waren im Mittelalter ein wichtiges Nahrungsmittel“, erzählt sie. Heute sei sie eher als Saubohne bekannt. Außerdem sollen auf dem Campus Galli unter anderem Dinkel, Hafer und Gerste aus dem Boden sprießen ”“ allerdings nicht überall, ein Teil der Fläche liegt brach. „Im neunten Jahrhundert war man zeitlich zwischen der Zwei- und der Dreifelderwirtschaft“, sagt Punzel. „Das wollen wir hier natürlich zeigen.“ Neben den großen Feldern im Randbereich der Klosterstadt hat sie mit einer Kollegin auch einen klösterlichen Heilkräutergarten angelegt, wo schon so manches Pflänzchen dem Regen trotzte und sich nicht vom Wachsen abhalten ließ.
Fleißig sind aber nicht nur die durchschnittlich rund 15 Campus-Galli-Mitarbeiter, die täglich mit ganzer Kraft im Wald auf den Eröffnungstag am 22. Juni hinarbeiten. Auch die Baufirmen sind dabei, Parkplatz, Wege und Co. fertigzustellen. Und selbst mitten in Meßkirch tut sich noch was: „Sieben oder acht Frauen stellen im Löwen unter Hochdruck weitere Kleidung her“, sagt Thomas Fuhrmann.
Er macht sich auf den Weg zurück zur Baustelle, kommt aber nicht weit. Jemand pfeift laut nach ihm und möchte irgendetwas wissen. Wieder so eine Kleinigkeit. Und Thomas Fuhrmann bleibt die Ruhe selbst.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 15.06.13:
Gregor Moser hat geschrieben:
Klosterstadt eröffnet nächsten Samstag mit Festakt

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Diese Woche wurden die ersten Container für den Eingangsbereich von „Campus Galli“ angeliefert.

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Am nächsten Sonntag findet in Meßkirch ein verkaufsoffener Sonntag statt. Tags zuvor wird die Klosterstadtbaustelle mit einem Empfang eröffnet werden.

Am kommenden Wochenende ist es endlich soweit: Die Klosterstadt Meßkirch öffnet nach dreijähriger Vorbereitungszeit am Samstag. Für den Eröffnungs-Festakt werden rund 300 geladene Gäste erwartet.

Der nicht-öffentliche Empfang auf dem Klosterstadtgelände gehe von 11 bis 14 Uhr. Geplant seien Auftritte der Geschwister Hofmann, der Mittelalterband „Feuer und Stein“ und des Chors des Heidegger-Gymnasiums. Auch Vertreter der Kirchen seien eingeladen. Hartmut Alker, Ministerialdirigent im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, werde bei dem Empfang erwartet. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß und der CDU-Landtagsabgeordnete Burger hätten ihr Kommen zugesagt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Frau hätten aus Termingründen absagen müssen, sagt Bürgermeister Arne Zwick und nennt die derzeitige Bundespräsidentschaft des Ministerpräsidenten als Hinderungsgrund.”¨”¨Nach dem Empfang startet die Klosterstadt ihren regulären Betrieb. „Die Bauarbeiten sind bis dahin fertig“, kündigt Zwick an. Am Mittwoch seien die Container für den Eingangsbereich angeliefert worden und auch die Hinweisschilder an den Straßen könnten noch termingerecht aufgestellt werden. In dieser Woche wurden die Fundamente gegossen, die Straßenmeisterei wartet noch auf die Anlieferung der Schilder. „Ich hoffe, dass die Schilder rechtzeitig stehen“, sagt Bert M. Geurten, Vorsitzender des Klosterstadtvereins. „Wenn man sich Meßkirch nähert, müssen die Schilder da sein, damit man uns zügig findet.“ In der verbleibenden Woche gebe es für ihn und seine Mitarbeiter noch eine Menge Arbeit. Es würden weitere Container angeliefert. „Wir tun unser möglichstes, ich hoffe, dass es nicht mehr regnet“, stellt er fest.”¨”¨Beim verkaufsoffenen Sonntag, 23. Juni, den die Meßkircher Gewerbe- und Handelsvereinigung (GHV) ins Leben gerufen hat, wird es am Tag nach der Eröffnung von Campus Galli einen Shuttle-Betrieb ab dem Adlerplatz zur Klosterstadtbaustelle geben, kündigt Bausch weiter an. Zudem sollten Stadtführungen angeboten werden.”¨”¨Einige Meßkircher Geschäftsleute haben sich Aktionen einfallen lassen. So wird es einen Schuhputzer beim Schuhhaus Müller geben, der den Passanten seine Dienste anbieten wird. Dagmar Wilbert möchte in ihrem Friseurgeschäft gegen einen kleinen Obolus Haarkreide zum Ausprobieren anbieten und bei Schreibwaren Schönebeck soll ein Mobilfunkanbieter informieren. Klaus Reichenberger von „Naturalis“ wird sein Geschäft dagegen geschlossen lassen. „Ich werde eine Verordnung Karls des Großen ins Schaufenster hängen, dass Sonntagsverkauf nicht zulässig ist.“ Ein verlängerter Einkauf am Samstag ”“ wie zunächst geplant ”“ wäre kein Problem für ihn gewesen. „Aber sonntags schaffe ich nicht“, sagt er. Für diejenigen, die am Sonntag Campus Galli und danach die Innenstadt besuchen soll es indes gegen Vorlage der Eintrittskarte in Gastronomiebetrieben und bei Einzelhändlern eine Tasse Kaffee gratis geben, teilt die Stadt mit. Die teilnehmenden Betriebe stünden auf der Kartenrückseite.
Kommentare
Michael Glufen hat geschrieben:
Alles sehr mittelalterlich...

Ӭ...auf dem Foto. LOL!
Jutta Hoffmann hat geschrieben:
Vor der Eröffnung

ist NICHT nach der Eröffnung. Auch wenn im Artikel eine dreijährige Vorbereitungszeit erwähnt wird, bedeutet das nicht, dass vor drei Jahren schon Geld geflossen ist. In der Zeit hätte man dann sicherlich in mittelalterlicher Manier das Gelände vorbereiten können, allerdings war das in der kurzen Zeit von Januar bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Um die Vorbereitungen für die Baustelle innerhalb sechs Monaten mit reiner Muskelkraft ohne Maschinen zu erledigen, hätte man wohl Sklaven gebraucht, und der Sklavenhandel ist ja nun glücklicherweise seit einiger Zeit abgeschafft, da sind wir uns sicherlich alle einig.
Am besten nach der Eröffnung selbst mal auf der Baustelle vorbeischauen und sich vergewissern, wie mittelalterlich das Ganze nun geworden ist...
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Heute in der Schwäbischen Zeitung:
Baubeginn für Jahrhundertprojekt Klosterstadt in Meßkirch

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Modell der Klosterstadt (Foto: dpa)

Nach jahrelangen Vorbereitungen sollen in Meßkirch (Kreis Sigmaringen) am kommenden Wochenende die Arbeiten auf einer mittelalterlichen Klosterbaustelle beginnen. Nur mit Handarbeit und Muskelkraft will ein Verein dort eine ganze Stadt mit einer Klosterkirche für 2000 Menschen bauen. Alles soll genau so sein wie im Mittelalter. Deshalb sind die Arbeiten auch ein wahres Jahrhundertprojekt, denn fertig wird die Klosterstadt wohl frühestens in 40 Jahren. Die mittelalterliche Baustelle soll eines der größten Tourismus-Projekte in der Region Bodensee-Oberschwaben werden.

Die Behörden standen im Genehmigungsverfahren für die Klosterstadt immer wieder vor Problemen. Denn der Plan für das Bauprojekt stammt aus dem 9. Jahrhundert und musste zunächst mit den aktuellen Bauvorschriften in Einklang gebracht werden.
Ein Gutachten der Dualen Hochschule Ravensburg geht davon aus, dass mindestens 180 000 Besucher im Jahr die Baustelle anschauen werden. Sobald jährlich 125 000 Touristen kommen, könnten die Bauarbeiten nach Angaben des Vereins allein aus den Eintrittsgeldern finanziert werden. Bis dahin leisten Stadt, Land und Europäische Union eine Anschubfinanzierung von gut 700 000 Euro.
Fotoreportage

Auf der Meßkircher Klosterstadtbaustelle tut sich was

Der Parkplatz wird planiert, der Wall steht, und einige Hütten sind ebenfalls fertig: Langsam, aber sicher macht sich der nahende Eröffnungstermin von Campus Galli am 22. Juni sichtlich bemerkbar. Die SZ war mit Initiator Bert M. Geurten im Wald bei Meßkirch-Langenhart unterwegs.

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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Vorgestern in der Schwäbischen:
Corinna Wolber hat geschrieben:
Campus Galli: Betreten der Baustelle erwünscht

In Meßkirch wird mit Muskelkraft ein mittelalterliches Kloster gebaut - Am Samstag öffnet Campus Galli seine Tore für Besucher

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Bert M. Geurten, Initiator der Klosterstadt, steht hinter einem Modell der mittelalterlichen Klosteranlage. (Foto: dpa/Marc Herwig)

Mitten im Wald zimmern Männer und Frauen seltsame Hütten und Verschläge zusammen. Das Holz sammeln sie selbst, auf die Dächer kommen Moos oder Zweige. Manches Häuschen bewerfen sie von außen mit Lehm, um es vor Wind und Wetter zu schützen. An der nahe gelegenen Landstraße geht es moderner zu. Dort planieren Bauarbeiter die letzten Quadratmeter eines großen Parkplatzes. Eine Biologin pflanzt in der Nähe auf einem Acker mittelalterliche Feldpflanzen an und kann von dort aus demnächst zwei Ochsen beim Grasen zusehen.

Was viele noch vor ein paar Jahren für einen müden Aprilscherz gehalten haben, wird am Samstag Realität: Dann öffnet in Meßkirch (Kreis Sigmaringen) eine groß angelegte Dauerbaustelle für Besucher. In den nächsten 40 Jahren soll dort eine karolingische Klosterstadt entstehen. Ohne Maschinen und nur unter dem Einsatz mittelalterlicher Baumethoden und Materialien erschaffen rund 25 festangestellte und zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter dort den sogenannten Campus Galli.
Er basiert auf dem Klosterplan von St. Gallen, der zwischen 819 und 826 auf der Insel Reichenau entstanden ist und nie verwirklicht wurde. Ein Modell des Klosters hat der Aachener Journalist Bert M. Geurten als junger Mann in einer Ausstellung gesehen ”“ und so richtig losgelassen hat ihn der Gedanke, den 1200 Jahre alten Entwurf in die Tat umzusetzen, nie so richtig.

Der Weg ist das Ziel

Jetzt hat er es geschafft: Campus Galli wird gebaut. Dass er selbst als Initiator die Fertigstellung wohl nicht mehr erleben wird, stört ihn nicht: „Der Weg ist das Ziel“, sagt Geurten. So geht es denn auch bei der Klosterstadt weniger ums architektonische Gesamtergebnis als um die Baustelle, die sich Jahr für Jahr unter den Augen der Besucher verändern wird ”“ betreten der Baustelle erwünscht.
Bis Geurten ein geeignetes Gelände gefunden hatte, musste er allerdings einen langen Marsch durch die Institutionen antreten. Zahlreiche Bürgermeister aus allen Ecken Deutschlands winkten ab, als er ihnen von seinem Vorhaben erzählte. Immer wieder und wieder wies man ihm freundlich, aber bestimmt den Weg zur Tür. „Himmelfahrtskommando“, „nicht finanzierbar“, „nicht vermittelbar“ ”“ mit Abfuhren kennt Geurten sich aus. Doch einer winkte nicht ab: der Meßkircher Bürgermeister Arne Zwick. Auch er war zwar zunächst skeptisch. Doch dann sah er schnell eine Chance darin, eine mögliche Touristenattraktion in die Region zu holen. Das 8500-Einwohner-Städtchen Meßkirch liegt in einer touristisch eher strukturschwachen Gegend und profitiert kaum von den Menschenmassen, die an den rund 40 Kilometer entfernten Bodensee kommen. Zwar kann die Gemeinde mit dem einzigen Renaissance-Schloss nördlich der Alpen und ein paar Berühmtheiten aufwarten ”“ doch mit seinem Martin-Heidegger-Museum lockt die Stadt nicht gerade Tausende an.
Das Potenzial, das die Klosterstadt für Hotel- und Gastronomiebetriebe, aber auch für Einzelhändler in der Region birgt, hat neben dem Bürgermeister letztlich auch den Meßkircher Gemeinderat überzeugt. Er gab im September 2011 grünes Licht für den Bau der Klosterstadt. Ausschlaggebend war damals wohl nicht zuletzt der Besuch eines Referenz-Projekts im französischen GuÁ©delon: Dort wird seit 14 Jahren eine mittelalterliche Burg gebaut. „Die Leute lieben es, anderen bei der Arbeit über die Schulter zu schauen“, sagt Geurten. „Und wenn sie in einem oder zwei Jahren wiederkommen, hat sich alles total verändert ”“ besser geht’s nicht.“ Der Plan GuÁ©delon ist aufgegangen: Mehr als 300.000 Besucher strömen jährlich aufs Gelände, das in Frankreich mittlerweile Ziel Nummer eins für Schulausflüge ist. „Wenn wir täglich nur drei Reisebusse voller Menschen auf die Baustelle holen, rechnet es sich schon“, sagt Geurten.

Spenden und Zuschüsse sind nötig

Auf eigenen Füßen steht die Klosterstadt am Anfang aber ganz und gar nicht. Das Projekt finanziert sich zu einem großen Teil aus Spenden, Zuschüsse kommen von Stadt, Land, Bund und EU ”“ sie sollen dem Projekt in den ersten Jahren seinen Bestand sichern und wurden vor allem für die Schaffung der Infrastruktur genutzt. „Ich kalkuliere für die erste Saison mit 250 Besuchern täglich“, sagt Geurten. Würde das gelingen, könne die Klosterstadt bereits Ende dieses Jahres „eine schwarze Null schreiben“. Die Ausgaben will er im Rahmen halten ”“ so verdienen etwa seine Mitarbeiter in der Anfangsphase nicht mehr als 1200 Euro netto.
„Wir müssen das Geld eben erst mal verdienen, bevor wir es ausgeben können“, sagt Geurten. Doch obwohl es quasi keinen finanziellen Anreiz gibt, für das Großprojekt zu arbeiten, rennen ihm die Bewerber die Türen ein. „Offensichtlich sind viele Handwerker froh, auch mal ganz ursprünglich arbeiten zu können“, sagt Geurten.
Einen Vorgeschmack bieten schon jetzt die Hütten und Unterstände. Auf der Baustelle ist in den vergangenen Wochen ein Rundweg für die Besucher entstanden, der sie an 20 Stationen vorbeiführt. Dort können sie Schreinern, Steinmetzen, Seilern oder Töpfern bei der Arbeit zusehen. Was sie herstellen, wird meist für die Baustelle benötigt: So muss der Schindelmacher Zehntausende Schindeln anfertigen, die später für die Dächer der verschiedenen Gebäude gebraucht werden. Höhe- und Mittelpunkt der Klosterstadt wird irgendwann eine riesige Kirche mit Platz für 2000 Menschen sein.
Ein Wirtschaftsbeirat aus Bankern, Unternehmern und Vertretern der Stadt wacht darüber, dass der gemeinnützige Verein Karolingische Klosterstadt, dessen Vorsitzender Geurten ist, das Geld sinnvoll und zweckgebunden ausgibt. Zugleich achtet ein wissenschaftlicher Beirat darauf, dass es auf der Baustelle mittelalterlich zugeht. Ein paar Mitgliedern wurde der selbst auferlegte Mittelalter-Anspruch indes zu häufig übergangen. Andreas Sturm, langjähriger Mitarbeiter von Bert M. Geurten, ist Experte für Living History, also das Nachstellen historischer Lebenswelten mithilfe von handelnden Personen, originalgetreuer Kleidung und Ausrüstung. Sturm ”“ aufgrund seiner Kenntnisse der genannte Mittelalter-Tüv der Klosterstadt ”“ ist vor Kurzem aus dem wissenschaftlichen Beirat ausgestiegen.

So viel Mittelalter wie möglich

In entsprechenden Foren im Internet wird schon länger heftig diskutiert ”“ darüber, dass der Parkplatz mit Baggern geschaffen wird, die Achse des Ochsenkarrens aus Eisen statt aus Holz gefertigt wurde und dass die tönernen Trinkbecher für Besucher einen Eichstrich haben. Sogar die Tatsache, dass die Handwerker unter ihren mittelalterlichen Gewändern Schutzkleidung tragen, geht manchen zu weit.
Bert M. Geurten vertritt diesbezüglich eine klare Linie, über die er nicht mehr diskutiert: „Wir machen hier so viel Mittelalter wie möglich, aber eben auch so viel 21. Jahrhundert wie nötig“, sagt er. Er werde kein einziges Gesetz des Jahres 2013 brechen, „denn am Ende muss ich meinen Kopf dafür hinhalten, wenn was passiert“. Vertretern der Living-History-Szene hat er den Rücken gekehrt und blickt stattdessen nach vorne ”“ schließlich geht am Samstag für ihn ein jahrzehntelanger Traum in Erfüllung.
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