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Was geht im Mittelalter?
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Tanzmeister Denesius
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Beitrag von Tanzmeister Denesius »

Nun, diese Ausführungen sind ja sehr schön und lobenswert, aber wie der Onkel Harper ((*grinz*)) schon sagte: Man muss sich mit den Märkten zum einen auch etwas an die Wünsche und vorstellungen des normalbürgers arrangieren. Der hat teilweise nicht solch ein fundiertes Fachwissen und stellt sich unter Mittelalter im Worst Case sogar ein Szenario a la "Ritter aus Leidenschaft vor"


((Wobei ich mich hiermit oute das ich den Film toll finde, weil er sich selber nicht so brühernst nimmt. Auch wenn ich grade bei der Tanzszene und dem Prinz von Wales mit der Lederjacke schon leichte Augenkrämpfe bekomme *g*))


Zum anderen sieht sich das Eynevolk in erster Linie als Entertainer - wir wollen den Leuten Spaß bereiten. Wir stellen nicht den Anspruch "A" zu sein. Auch wenn ich Respekt vor Leuten habe, die das knallhart durchziehen muss ich für mich sagen, das ich das nicht in diesem Ausmaße darstellen möchte.

Ich finde es immer schön, wenn ich Leute für dieses tolle Hobby begeistern kann und nicht von denen erwarte sich direkt historisch Korrekt auszustatten, die Kreuzfahrerbibel zu verinnerlichen etc...

Diese Diskussion A vs. nicht A ist so alt wie das Hobby selber und in meinen Augen absoluter Schwachsinn - ich denke jeder sollte so machen wie es ihm Freude bereitet. Deshalb machen wir den Quatsch doch - weil wir drauf stehen :-)

Mich mit Vorschriften und Paragraphen rumärgern kann ich mich auch im Büro

Getanzt wird auch auf jeden Markt - das ist auch mal 0 Authentisch, da auch dem Mittelalter keine Tänze überliefert wurden - aber es macht doch trotzdem Spaß und die Leute wollens sehen. So what?
Wir haben einen Namen - Wir sind Legion

Pest auf, Tod für, Heil Trigardon
Montrose
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Beitrag von Montrose »

Einen Adenauer (was geht mich mein Geschwätz von gestern an) hervorzukramen mag womöglich nur mediokre Unterhaltung bieten.

Vor dem Engagement der modernen MAler hätte ich einen Heidenrespekt, sofern ich Heide wäre. Soviel Power und Zeit fehlen mir, so dass ich mich wie ein Mount Everest Touristen durchaus gerne an der kurzen Leine auf den Gipfel der Erkenntnis tragen lasse. :D

Immerhin muss, so las ich, ein moderner Ritteranwärter anscheinend 12 Stunden in der Kapelle hocken, was doch ein wenig Tugend verschaffen müßte.

Historie nahm ich in letzter Zeit, wenngleich epochefremd, in einem Bonner Museum (Umbruchzeit Römer-Germanen) und in Stuttgart (1770, die venezianische Messe des Hauses Württemberg) zur Kenntnis. Bei letzterem wurde genau dies, wie sich der Adel in einem Markt zelebrierte, geboten. Solche Lokalgeschichten sind durchaus recht interessant. Der württembergische Herzog Carl Eugen hatte angeblich 200 uneheliche Kinder. Ich vermute eher, da es damals keine Gentests gab, jedes uneheliche Kind höheren Standes wurde dem Herzog unterschoben, und der spielte das mit, um als Sexprotz zu gelten, obwohl er gar keiner war. Jedenfalls blieb seine eigene Ehe kinderlos, weshalb die Bürger dem Adelspaar eine Reise nach Venedig schenkte, um dort auf befruchtende Gedanken zu kommen. Naja, solch eine Idee wäre mittelalterlichen Bürger nicht eingefallen, aber in späteren Zeiten hatte der Städter mehr Geld als die ehemalige Blechdose auf Pferden. Der Schuß ging bekanntlich nach hinten los. Der Herzog brachte statt Babies dumme Ideen aus Venedig zurück. Seine Ehe blieb kinderlos, seine Frau schickte er in die Wüste. Aber er veranstaltete mehrere Jahre lang jedes Jahr in Ludwigsburg eine venezianische Messe. Dann hatte der Herzog keinen Bock mehr darauf und ging zurück nach Stuttgart. Daraufhin wurde Ludwigsburg zur Gespensterstadt (mit dem Hof gingen auch die meisten Menschen fort) und die Bauern und Bürger waren in ganz Württemberg reichlich verstimmt, weil dieses eigentlich recht arme Land die Lustbarkeiten zahlen mußte. Württemberg war in früheren Zeiten am Arsch der Welt. Dass hin und wieder ein Adelsgeschlecht wie die Staufer dennoch zu Macht kam, lag an einer simplem Berechnung. Die Adeligen dachten, wenn sie einen Schwächling aus ihren Reihen zum König wählen, haben sie mehr zu melden.


So wichtig ist mir das A gar nicht. Mein früherer Beitrag war eher so ein privates Räsonieren. Kamen jetzt auch recht erhellende Antworten. Ein bißchen Nachdenken schadet nichts. Denn es sind doch in der Bevölkerung recht viele dumme Ideen in Umlauf, vor allem was die negative Bewertung des Klerus betrifft.

Wenn ein Bauernmarkt in heutiger Zeit nachgestellt würde, wären landwirtschaftliche Erzeugnisse - die mit Sicherheit ihren Abnehmer finden würden - eine gute Sache. Allerdings, so denke ich, würde das Recht von wegen Hygienebestimmungen und blablabla wohl einen Strich durch die Rechnung machen. Wie will man auch Milch oder Eier aufbewahren, ohne dass sie verderben. Mit Gemüse und Pökelfleisch wäre es wohl eher machbar. Die Idee an sich wäre sicherlich gut.

Hinsichtlich anderer Güter kann ich mir schwer vorstellen, dass damals Runen-Anhänger und Minidrachen feilgeboten wurden. Aber irgendwas musste es ja doch gegeben haben. Rosenkränze, Kleider, Schwerter (durfte die überhaupt jedermann kaufen??), was weiß ich. Gürtel fände ich gut, Seifen auch (gab's im Mittelalter Seifen?). Aber das sind meine persönlichen Vorlieben.

Ich wundere mich, dass die heutigen Stände tatsächlich damit Geld verdienen. Machen das manche Leute wirklich hauptberuflich? Kaufen die Leute wirkklich soviel, dass man davon leben könnte?
Zuletzt geändert von Montrose am 09.09.2008, 10:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Stephan von Ibelin
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Beitrag von Stephan von Ibelin »

Dann vervollständigen wir mal die Linksammlung von Nicole noch etwas um nicht den Eindruck zu erwecken, daß wir keinerlei Recherche betreiben *ggg*

Codex Manesse (Große Heidelberger Liederhandschrift) 1305-1340:
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/

Utrecht Psalter 820-835:
http://psalter.library.uu.nl/


Codex sangallensis 857 (13.Jahrhundert)
http://www.cesg.unifr.ch/virt_bib/handschriften.htm

Das reicht fürs Erste :-)
Pax vobiscum

Stephan von Ibelin, Bailli von Jerusalem, Herr von Ibelin

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Achim
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Beitrag von Achim »

Der "Utrecht Psalter"-Link läßt sich leider nur mit Internet Exploder öffnen.
Viele Grüße
Achim
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Die Welt ist in zwei Sekten unterteilt: In die mit Religion , aber ohne Verstand
und die mit Verstand, aber ohne Religion.
Abu 'l-'Ala al-Maarri (syrischer Dichter, 11.Jh.)
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Stephan von Ibelin
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Beitrag von Stephan von Ibelin »

nun... besser als gar nicht *g*
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